Auf dem letzten Kilometer vor der Hütte treffe ich seit längerer Zeit auch mal wieder auf Gegenverkehr. Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich nicht um einen Etappenläufer wie mich, sondern um den Hüttenwirt. Der war nicht etwa in Erwartung meiner Ankunft stiften gegangen, sondern, wie er mir glaubhaft darlegte, auf einer seiner nahezu täglichen Erkundungstouren mit schwerpunktmäßigem Interesse für die im Vindelfjäll ganzjährig oder zeitweise beheimatete Vogelwelt. Der gute Mann heißt Nils Karlsson, ist pensionierter Lehrer und arbeitet nebenher auch noch als Guide für das Ammarnäs-Guidecenter für interessierte Vogelbeobachter. Das Einchecken in die Hütte vollzog sich somit "im Vorbeigehen", denn er hieß mich nach einem kurzen Plausch Willkommen und meinte nur, ich solle mir in der zu diesem Zeitpunkt völlig leeren Hütte ein genehmes Zimmer/Bett aussuchen und es mir bequem machen.
Välkommen till Servestugan
Ich tat also wie mir "befohlen" und machte mich nach dem Einquartieren und einem kleinen Mittagssnack für den Rest des Tages mit der Leichtgepäckvariante zu einer Erkundungstour auf die Socken. Ziel war ein kleinerer, gleich nördlich der Servestugan gelegener Berg namens Givnjuovárrduo, auf den es sich von Südwesten aus bei lediglich geringem bis allenfalls moderatem Steigungswinkel recht entspannt hinauflaufen lässt, wenngleich komplett weglos. Noch am Fuße des Berghangs sehe ich abseits des Kungsleden zumindest auch mal ein wenig Getier, nämlich eine Bekassine und zwei von mir aufgescheuchte Schneehühner davonflattern, allerdings ohne Chance das auf die Schnelle im Bild festzuhalten. Weiter oben bekomme ich dann zwischendurch eine Ahnung davon, was es heißt, sich weglos im Fjäll zu bewegen. Ein Vorankommen durch weitläufig dicht bewachsene Strauchheide ist megaätzend und nach bereits gefühlt 50 m, deren Durchquerung schubweise im zähflüssigen Zeitlupentempo verläuft und sich an den Hosenbeinen wie Drahtbürstenmassage anfühlt, bin ich zu den Einsicht gelangt, dass man, wann immer es irgendwie geht, solche dschungelartigen Areale besser meidet und dafür mit einem ggf. auch größeren Umweg vorlieb nimmt. Als ich dann bereits oben auf dem Bergrücken angekommen war, fand ich zu meiner Verwunderung ein weitverzweigtes Netz aus "Trampelpfaden" vor, welche das weitere Vorankommen dann wieder spürbar erleichterten. Egal welchem der sich gefühlt alle 10 m neu verzweigenden und später dann wieder auf neue Tretspuren stoßenden Trampelpfade ich auch folge, es scheinen auch hier alle Wege letztlich nur nach Rom zu führen, sprich, man kommt letztlich irgendwie ans Ziel. Angelegt wurde dieses Trampelpfadlabyrinth nicht von Menschenmassen, sondern, das wird mir anhand von flächendeckend verteilten Köttel-Hinterlassenschaften recht schnell klar, von Rentieren. Vom Bergrücken aus, den ich dann von West nach Ost bis zum höchsten Punkt hin ablaufe, hat man bereits eine gute Aussicht auf die nach Norden hin zahlreich vorhandenen Talsenken mit hier und da besonders farbenfrohen Berghängen und natürlich auch wieder auf das Ammarfjället.
Farbtupfer im Birkenwald am Berghang
Rerrogaise mit Gletscherfront
Am östlichen Ende des Bergrückens hat man vom Givnjuovárrduo aus einen exklusiven Ausblick auf das Tjulträskdalen mitsamt den beiden namensgebenden Seen Stor-Tjulträsket sowie den Lille-Tjulträsket, dem vorgelagerten Mündungsdelta von mehreren kleineren Bächen/Mini-Flüssen, u.a. dem Servvejuhka, und zur Rechten im Hintergund den Berg Stuor-Ájgart mit seiner markanten Abbruchkante. Ok, ich befinde mich dort nicht auf dem Skierffe mit dem urzeitlichen Laitaure-Delta zu Füßen bzw. dem ungleich bekannteren Rapadalen und dem Sarek zur Rechten, aber hey, die herrliche Aussicht auf das nicht schon zig-tausendfach abgelichtete oder gar nahezu "totgeknipste" Tjulträskdalen mit den beiden Seen und dem vorgelagerten Delta habe ich in diesem Moment ganz für mich allein, ganz ohne Schlange-Stehen und hektisches Gedränge. Unbezahlbar!
Aussicht aufs Tjulträskdalen vom Givnjuovárrduo aus