Reisebericht: Vindelfjäll September 2016

Debilofant

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@ ralle: thx! Am besten mit ´nem kühlen Blonden zurücklehnen und genießen...
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... Fortsetzung:

Den Rast- und Parkplatz Höbäcken erreiche ich um kurz nach 13:00 Uhr, womit sich erneut die Frage aufdrängte, was sich mit dem Rest des Tages noch anstellen ließe. Das Wetter hatte sich jedenfalls gehalten bzw. noch einmal spätsommerliche Temperaturen erklommen. Der schwere Rucksack flog nach einer kleinen Mittagspause unweit des Rast- und Parkplatzes ins Unterholz, um mich bei herrlichem Sonnenschein nur noch mit Leichtgepäck auf den Weg nach Aitenjas bzw., wenn es zeitlich noch reichen sollte, bis zum Rävfallet aufzumachen und ihn zum Abend nach meiner Rückkehr an Ort und Stelle zwecks Übernachtungsvorbereitung wieder einzusammeln. Der nach Aitenjas führende Weg heißt bezeichnenderweise Aitelnasvägen und folgt über weite Strecken dem Ufer des Vindelälven. Zwischendruch gehts an alten Kiefern, Moorabschnitten und Wiesen mit klapprigen Holzschobern vorbei, die zu dem aufgegebenen Landwirtschaftsanwesen Aitenjas gehören, auf dem vor noch gar nicht so langer Zeit ein paar ganz Hartgesottene ganzjährig autark mitten in der Wildnis ihr Leben bestritten.

Nadelhölzer vor dem Steilabbruch ...


... namens Njallavárátje


Moorfläche

Knapp eineinhalb Kilometer unterhalb von Aitenjas bildet der Vindelälven auf einer Länge von stromaufwärts ungefähr 2,5 km eine deutlich verbreiterte Flussniederung mit den vormals bewirtschafteten Wiesen. Als ich diesen Bereich um ca. 16: 20 Uhr erreiche, leuchtet die Aitenjas-Steilwand schon von weitem in prächtigsten Herbstfarben im Licht der Abendsonne - ein Augenschmaus!

Goldrush


Aitenjasselet
 

Debilofant

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Die pittoresken Holzklappergestelle sind allesamt liebevoll zusammengezimmerte Unikate aus längst vergangener Zeit und verleihen dem Bereich um Aitenjasselet einen ganz eigenen, herben Charme mit postzivilisatorischer Note.

Sleepy Buildings

Gleichwohl scheinen die Holzschober auch heutzutage zumindest noch sporadisch aufgesucht und genutzt zu werden, denn am Flussufer liegen genau an dieser Stelle ein paar Boote, vorschriftsmäßig kieloben.

Bootsanlegestelle

Bei bestem Abdenlicht geht es dann auf dem Aitelnasvägen weiter zum eigentlichen Hofanwesen.

Aitelnasvägen

Eine gute halbe Stunde später stehe ich dann auf dem ehemaligen Hofanwesen direkt zu Füßen der Aitenjas-Steilwand. Am Eingang der vom Aitelnasvägen zum Hof abzweigenden Zuwegung steht eine von der EU gesponserte Info-Tafel mit allerlei Hintergrundinformationen und historischen Daten, die abzulichten ich mal wieder vergessen habe. Ganz tot und museumsreif ist das Areal aber auch heute noch nicht, denn anstelle von Wildwuchs betrete ich ein großflächig gemähtes und akkurat aufgeräumtes Sommerhaus-Anwesen, das an diesem Abend jedoch nicht besetzt war.

Aitenjas-Steilwand aus westlicher Perspektive


neuzeitliche Sommerresidenz - Aitenjas
 
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Debilofant

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Während ich einen der alten Holzschober vor der lichtgefluteten Steilwandkulisse in Szene zu setzen versuche, ziehen binnen 15 Miunten reichlich Wolken auf, und schwups war das schöne Licht auch schon verschwunden. Bis zum knapp eineinhalb Kilometer noch entfernten Rävfallet, einem kleinen Wasserfall bzw. besser gesagt einer Stromschnelle, bin ich daher nicht mehr weitergelaufen, zumal es schon wieder auf 18:00 Uhr zuging und der Rückweg zum Rastplatz am Höbäcken schon von Aitenjas aus gut sieben Kilometer betrug, was bis zum Dunkelwerden ohnehin nur noch im Sauseschritt knapp zu schaffen sein würde.

Pittoresque


Kontraste

Ganz ohne morbiden Charme verläuft mein Aitenjas-Besuch dann aber doch nicht, denn ein paar verfallene Holzhütten stehen halt doch rum, sogar mit Original-Jagdtrophäen-Accessoire.

Deadhouse


Bye, bye Aitenjasselet

Als ich am Höbäcken-Rastplatz eintreffe und meinen Rucksack einsammle, ist es schon ziemlich schummrig. Statt Zeltaufbau verkrümele ich mich nach der täglich zum Abend warm eingenommenen Hauptmahlzeit kurzerhand in die halboffene Grillhütte, die innen immerhin ringsum mit Sitzbänken ausgestattet war. So richtig angenehm war das Liegen auf den Sitzbänken trotz dicker Isomatte und 3-Jahreszeiten-Schlafsack aber nicht, denn im Gegensatz zur Zeltplane wehte es die ganze Nacht lang feuchtklamm durch die Holzritzen der nur aus übereinandergenagelten Holzstämmen bestehenden Seitenwände. Das war im Schlafsack dann schon zu spüren
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.

Der 20.09.2016 ist damit dann auch finished.
 

Debilofant

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21.09.2016:

Am frühen Morgen kostet es mich erstmals ein wenig Überwindung, mich aus dem Schlafsack zu pellen, denn schon beim ersten Blinzeln aus der Grillhütte sehe ich, dass ich nahezu nichts sehe. Im Tal lag nasskalte Nebelsuppe, und ob diese von wärmenden Sonnenstrahlen innerhalb der nächsten Stunde hinfortgebrutzelt würde, war denkbar ungewiss. Ich erhöhe die Heißgetränkdosis an diesem Morgen auf das Doppelte und lasse es gemächlich angehen, denn im Nebel loszulaufen machte keinen Sinn.

Geplant war eine weitere Tagestour mit Leichtgepäck, diesmal zum Guoletsfallet, einem größeren Wasserfall im Bereich der Baumgrenze am Rande des Björkfjället, auf den ich während der gestrigen Tour nach Aitenjas von einem kleinen Wegweiser am Rande des Aitelnasvägen aufmerksam gemacht wurde. Als der Nebel sich kurz nach 9:00 Uhr weitestgehend verzogen hatte, flog der Rucksack erneut ins Unterholz und los gings wiederum in Richtung Norden auf dem Aitelnasvägen. An dessen Anfang steht ein ein für Lappland sehr untypischer, ja regelrecht technokratisch anmutender Schilderwald. Dieser besteht aus einem Schild mit dem Wegnamen, einem Straßenverkehrsschild mit behördlichem Ausnahmefreifahrtschein, am Wegesrand stehenden Wanderwegmarkierungen für den Winter, einem Warnschild für das dort zugleich beginnende Jagdpachtgebiet mit Verbot eines Mitführens freilaufender Hunde und einem Schild des lokalen Angelvereins aus Ammarnäs, dem Ammarnäs FVO, zur Kennzeichnung des hinter dem Rastplatz stromauf beginnenden Fischschongebiets bzw. Angelverbots.

Schilderwald am Anfang des Aitelnasvägen

Nach einigen Kilometern zweigt dann ein nicht sonderlich häufig frequentierter Trampelpfad nach rechts vom Aitelnasvägen ab, der aber immerhin ausgeschildert ist. Die Sonne hat sich inzwischen vollständig durchgekämpft und zaubert auf meinem Weg durch den Wald mal mehr und mal weniger schmale Lichtschneisen ins Unterholz. In einer dieser Lichtschneisen leuchtet mir ein Blatt einer Trollblume knallrot entgegen, das wenige Momente später auf meiner Speichrkarte landen sollte.

Lampshade

Apropos Wald. In dieser Ecke stehen (und liegen) auffallend viele (hunds)alte bzw. zu gut 20 % bereits tot umgefallene Kiefern, deren Verbreitung eher trockenen Boden signalisiert und womöglich dem Ammarfjället geschuldet ist, das bei Wetterlagen aus West und Nordwest vielfach als Schlechtwetterprellbock fungiert. Ammarnäs samt Umgebung ist jedenfalls in den Wetterstatistiken als klimatisch begünstigter Ort gelistet, sprich im Schnitt mehr Sonne und höhere Temperaturen als anderswo.

bachaufwärts vorbei an u.a. alten Kiefern

Weiter oben gibt es dann keine Kiefern mehr, dafür aber einen Traum in Gelb unter einem blauen Himmel mit Mond über dem Ammarfjället und dem Vindelälven.

Moonriver

Mit Erreichen der Baumgrenze bekommt man dann auch ein paar mehr Teilstücke des sich durchs Vuodnávággie schlängelnden Vindelälven direkt zu Gesicht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bereuhe ich, überhaupt eine Jacke angezogen bzw. auch nur auf die Tagestour mitgenommen zu haben, denn der Planet brannte ein weiteres Mal gnadenlos und es war der zweitwärmste Tag der gesamten Tour.

sonnendurchflutetes Vuodnávággie mit Vindelälven von oben
 
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Debilofant

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Der Wasserfall liegt so ziemlich genau an der Baumgrenze und lässt sich aufgrund der topografischen Gegebenheiten leider nicht direkt am Fuß und auch an der Absturzkante nicht aus unmittelbarer Nähe besuchen. Da dieser Hangbereich bis um die Mittagszeit zudem noch im Bergschatten lag, habe ich das offizielle Tourziel zunächst im wahrsten Sinne des Wortes zu meiner Linken liegen lassen und bin dem Guoletsbäcken über die Baumgrenze hinweg bis ins Kahlfjäll gefolgt, wozu es allerdings zweier Mini-Kraxel-Einlagen bedurfte (die mit Rucksack nicht anzuraten sind).

Oberhalb des großen Wasserfalls liegen auf zig Geländestufen verteilt reihenweise kleinere bis mittlere Wasserfälle in einer erstaunlich tief eingeschnittnen Schlucht, die ich dort oben so überhaupt nicht erwartet hätte. Die Abfallkanten der Schluchtschneise sind, gerade bei solchem Wetter, eine Augenweide, denn der Vegetationsmix ist ausgesprochen markant und wirkt im Herbst wie reichlich aufgetragenes Farbgekleckse vom großen bunten Teller.

im Kahlfjäll beginnende Schlucht des Guoletsbäcken


bunt gesprenkelter Mini-Canyon

Rückblickend betrachtet sieht man so manches Unterfangen irgendwann gewiss mit anderen Augen, wie etwa das Hinabsteigen in die Schlucht fernab offizieller Wege. Nun ja, ich gestehe, die Neugierde und die Unvernunft waren an diesem Tag mal wieder stärker, also bin ich teilweise auf allen Vieren einmal in die Schlucht hinabgestiegen und habe von dort aus auch wieder einen nicht ganz so steilen Weg hinaus gefunden. Immerhin gab es dort unten ein wenig Abkühlung im Schatten der Hangflanke.

Avoid the Light

So willkommen die Abkühlung im Schatten an diesem Tag auch war, zum Fixieren der Farbenpracht braucht's schon eine anständige Portion Sonnenlicht, das um die Mittagszeit halt auf dem nördlichen Hang stand.

nördliche Schluchtkante als großer bunter Teller
 

Debilofant

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Noch weiter stromauf fließt der Guoletsbäcken wieder in ruhigeren Bahnen, wo er auch vom Kungsleden auf der Etappe zwischen Adolfsström und Rävfallsstugan mit einer großen Hängebrücke gekreuzt wird. Ich laufe noch bis zur besagten Hängebrücke und bedauere in Gedanken die vielen Kungsledenwanderer, die beim Überqueren des Guoletbäcken nicht sehen und auch nicht erahnen können, dass sie nur ein paar hundert Meter an einem sehr sehenswerten Abschnitt des Guoletsbäcken vorbeilaufen. Wie jedoch schon beschrieben, eignet sich das Streckenprofil um den Wasserfall herum nicht für schwere Rucksäcke.

Kungsledenbrücke über den Guoletsbäcken ...


... , von der aus weder die Schlucht noch die Wasserfälle zu sehen sind

Den Rückweg trete ich beizeiten um ca. 13:00 Uhr an, in der Hoffnung, dass der Sonnenstand für den Schluchtbereich und den auf der Hintour noch überschatteten großen Wasserfall nunmehr für eine bessere Ausleuchtung passen möge. Das Wetter spielte jedenfalls weiter mit bzw. waren zwischenzeitlich nur aus Nordwest ein paar harmlose Quellwolken aufgezogen.

All the Way Down; Prologue Chapter I


Bliss of Solitude


Sanguine Sky
 
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Debilofant

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Beim Erreichen des Guoletsfallet sind alle Abschattungen verflogen, sodass auch einem Bild vom eigentlichen Ziel des Tagesausflugs (bis auf ein paar Bäume) nichts mehr im Wege stand.

Guoletsfallet

Weiter unten im Wald lag der nordwestliche Uferbereich des Guoletsbäcken schon wieder leicht im Schatten, diesmal halt von der anderen Uferseite aus, was jedoch den im Nachhinein von mir nicht beklagten Effekt hatte, dass der Bachverlauf und die Ufervegetation sich farblich und vom Kontrast her bestmöglich voneinander abhoben.

Deeper Down

Auf dem Rückweg durch den Wald ließ das Gegenlicht das Farbspektrum bis zum Boden hinunter zusätzlich leuchten, wofür am Boden vor allem kleine Teppiche aus sonst fast ausschließlich im Kahlfjäll wachsenden Alpen-Bärentrauben verantwortlich waren.

rote Teppichstücke im Wald

Zurück auf dem Aitelnasvägen mache ich hier und da auch noch einen kurzen Abstecher zum Ufer des Vindelälven und sehe an einer im Fischschonbezirk gelegenen Außenkurve direkt vor meinen Füßen in dem dort (sogar) ca. eineinhalb Meter tiefen Wasser glasklar einen etwa dreieinhalb Pfund schweren Salmoniden trotz meiner Anwesenheit seelenruhig auf der Stelle vor sich hin wedeln.

am Vindelälven

Den Rastplatz erreiche ich um ca. 16:30 Uhr und breite erst einmal den am Morgen noch nassklamm in den Rucksack gestopften Schlafsack zum Trocknen in der Sonne aus. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir noch nicht ganz schlüssig, ob ich mich noch an diesem Abend auf den Rückweg nach Ammarnäs begeben sollte, wohlwissend, dass ich erst spät abends im Dunkeln dort eintreffen würde, oder ich dies erst nach einer weiteren Übernachtung am Rastplatz zu Beginn des nächsten Tages in Angriff nehmen sollte. Um mir darüber klar zu werden, bin ich zunächst zum Wasserholen an den nur einen Steinwurf entfernten Vindelälven gegangen, um sodann zwecks Nachdenkens eine Extra-Kaffepause einzulegen. Während ich da auf der Holzbank respektive am Holztisch sitzend den Instant-Kaffee im Schein der Abendsonne für mich genieße, kommt auf der Schotterpiste ein Volvo-Kombi mit schwedischem Kennzeichen angefahren, mit einem jungen Pärchen auf der mutmaßlichen Suche nach einem kuschlig ruhig abgelegenen Plätzchen, wie ich dem äußeren Anschein zunächst dachte.

Wider Erwarten hielten die beiden aber bei mir am Rastplatz an und kamen ohne große Umschweife auf mich zu. Die beiden waren beruflich unterwegs, nämlich im Auftrag des STF, wie sie mir versicherten, und auf der zu dieser Zeit ganz offenkundig nahezu aussichtslosen Suche nach Touris, weshalb die beiden heilfroh zu sein schienen, dass sie kurz vor Tageslichtschichtschluss mich mit dem zum Trocknen ausgebreiteten Rucksackgerödel am Höbäcken aufgegabelt bekommen haben. Es folgte eine kurze Erklärung des wieso, weshalb, warum ihres Ansinnens, das da lautete, ein paar Filmsequenzen und ein Interview für ggf. ein vom STF für Werbezwecke angedachtes Kurzfilmchen drehen zu dürfen. So richtig begeistert hat mich das nicht, aber als mir auf Nachfrage eine Mitnahme per Auto nach Ammarnäs zugesagt wurde, habe ich mich halt zum "Schaulaufen" mit Rucksack über die ca. 50m vor dem Rastplatz der über den Vindelälven führende Hängebrücke samt Interview in nicht ganz stammelfreiem Denglish überreden lassen. Im Nachhinein habe ich im Internet mal zu schauen versucht, ob das Material tatsächlich in irgendeiner Form veröffentlicht wurde, was jedoch zu meiner Erleichterung nicht der Fall zu sein scheint.

Meine Entscheidungsfindung, wann ich denn nun besser nach Ammarnäs zurücklaufen sollte, hatte sich ob der zweiten zum Nulltarif wie aus dem Nichts ergatterten Taxifahrt über die Schotterpiste dann unverhoffterweise auch erübrigt.

Zum Rastplatz am Höbäcken bleibt abschließend noch anzumerken, dass dieser grundsätzlich nicht für Übernachtungen gedacht und solche dementsprechend eigentlich auch nicht erlaubt sind, aber außer mir war ja die letzten Tage (außerhalb der Fischereisaison) ohnehin kein "Schwein" dort draußen unterwegs und ich habe selbstverständlich alles vorschriftsmäßig und sauber hinterlassen. Die Infrastruktur des eigentlich nur für gemütliches Zusammensein von insbesondere Anglergruppen gedachten Rastplatzes besteht neben der großen halboffenen Grillhütte (mit natürlich großer Feuerstelle bzw. großem Grill in der Mitte) aus einer Doppel-Einheit Plumpsklos, einer vor der Grillhütte zusätzlich im Freien stehenden Holzbank/Holztisch-Kombi sowie ebenfalls einem Doppelpack abriegelbarer Mülltonnenhäuschen mit insgesamt vier fein säuberlich nach Abfallart getrennten Mülltonnen. Ja, knappe 10 km hinter Ammarnäs als letztem schwedischen Zivilisationsposten wird (auch) in Schweden mitten in der Wildnis großer Wert auf Abfalltrennung gelegt, wie im Übrigen auch in allen STF-Hütten.

Bye, bye Höbäcken

Das Kapitel 21.09.2016 ist damit auch geschlossen.
 
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Debilofant

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22.09.2016:

Der letzte Tag vor Ort war überwiegend der Resozialisierung gewidmet, also zunächst so richtig ausschlafen, Wäsche waschen, und auch ein Supermarktbesuch stand auf dem Programm. Gelandet war ich am gestrigen Abend im Ammarnäs Wärdshus, einer Mischung aus (Tagungs)Hotel, Wanderheim sowie Basecamp für Jäger und Angler mit einem breiten Spektrum an Komfort- und Preisklassen, vom Selbstversorger bis hin zum Full-Service. Ich hatte mich für ein mittelpreisiges Einzelzimmer im Selbstversorgermodus entschieden, nachdem mir Tim, Chefkoch und Hotelchef in Personalunion, ohne Voranmeldung zum fortgeschrittenen Abend noch spontanen Einlass gewährt hatte. Dagegen hatte die zuerst angesteurte Location, das Hotel Ammarnäsgården, wegen Saisonablauf bereits geschlossen. Nach einer draußen im Fjäll schwer vermissten D U S C H E
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ging es auch schon fix in die Heia.

Aufgestanden bin ich ausnahmsweise erst gegen 10:00 Uhr und sehe beim Blick aus dem Fenster, dass ich wettermäßig an diesem Morgen nichts verpasst habe - tief hängende Wolken ringsum. Trotzdem war der Blick aus dem Hotelfenster schön-schick.

Morning View

Nach der Morgentoilette ging es zum Wäsche waschen gleich hinunter in die Waschküche, deren Nutzung mir Tim auf Nachfrage gestattete, denn offiziell ist das nicht im Preis für die Unterkunft enthalten. Am derbsten eingesaut waren die Innenseiten der Hosenbeine, an denen sich im Laufe der Tour ziemlich schnell eine respektable Panade aus Modder angesammelt hatte. Zunächst hatte ich das für das Resultat einer meinerseits unzureichenden Lauftechnik gehalten, aber die anderen mir begegneten Langstreckenwanderer sahen auch nicht besser aus, sprich das war auf dem Fjäll-Parcours "normal", denn ob man will oder nicht, früher oder später streift man mit seinen Schuhen immer mal wieder innenseits an den Hosenbeinen lang.

Den folgenden Supermarktbesuch habe ich dadurch nur mit der einzig noch verfügbaren Regenhose absolviert und gleich noch mit einem kleinen Dorfrundgang kombiniert, währenddessen die Wäsche zum Trocknen hing und nebenher die Stromtanke für die Kamera-Ersatz-Akkus lief. Erster Anlaufpunkt des kleinen Rundgangs war der Potatisbacken, ein mitten im Dorf stehender Aussichtshügel, an dessen Süd- und Westhang seit Jahrzehnten Kartoffeln angebaut werden, der nördlichste Kartoffelacker der Welt, sagt man. Trotz der Wolken kann ich zumindest nach Norden hin auch noch ein wenig in die Ferne gucken, also jenen Bereich, in dem ich mich die letzten Tage herumgetrieben hatte. Dort in der Ferne schien sogar noch ein wenig Sonne durch die Wolken.

Aussicht vom Potatisbacken in Richtung Norra Ammarnäs bzw. Vindelaforsen

Nach Westen und Südwesten hin war von Sonne nichts zu sehen, sondern dank der tief hängenden Wolken drückende Herbststimmung.

Bleak


Daphne Descends


Super Extra Gravity
 
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Debilofant

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Nach Südosten schweift der Blick über den Gautsträsket und das die Ufer der Zuflüsse des Gautsträsket, nämlich Vindelälven und Tjulån, säumende Wiesenland. Die Wiesen werden jährlich mindestens einmal samt Inventar, welches wie schon im Falle von Aitenjas vor allem aus zahlreichen Holzschobern besteht, komplett überschwemmt und bis heute aktiv bewirtschaftet.

bewirtschaftete Überschwemmungswiesen mit Holzschobern entlang der Mündungsstrecke des Tjulån

Unweit des Potatisbacken steht ein etwas größerer Holzschuppen, der praktisch denselben Charme versprüht wie die klapprigen Holzschober auf den Wiesen. Die Konstruktion bzw. Architektur wirkt durch und durch improvisiert und höchst individuell, weil herrlich windschief und nahezu ohne Verwendung genormter Bauteile. Ein Zimmermanns- oder Schreinergeselle erhielte mit einem solchen Gesellenstück vermutlich drei linke Hände attestiert und lebenslanges Berufsverbot, aber in den Bergdörfern Schwedisch-Lapplands scheint das mormal zu sein.

Asymmetric Tricks

Gleich neben dem Holzschuppen befindet sich so etwas wie eine kleine Touri-Attraktion, nämlich eine schon etwas ältere Holzkirche mit historisch anhängendem Kirchdorf. Ich schaue mir dieses Areal nur flüchtig aus sicherer Entfernung an und verzichte auch auf ein Foto, denn als Atheist kann ich mich dafür halt nicht begeistern. Anstatt Kirchturm gibt es also noch ein paar Holzschober bzw. Spuren der landwirtschaftlichen Aktivitäten.

Vindelälvens Naturbeten


bewirtschaftete Überschwemmungswiesen mit Holzschobern entlang des Vindelälvenzuflusses


Scandinavian Leather
 
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Debilofant

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Im weiteren Verlauf des Rundgangs inspiziere ich das, wenn man so will, Ortszentrum von Ammarnäs und begebe mich von dort aus zum Ortseingang mit dem bildtechnisch ja bereits zu 50 % ;) vorgezogenen Holzzelt. Im Bereich des Dorfzentrums liegen die Bushaltestelle, das Hotel Ammarnäsgården mit dem in der unteren Etage integrierten Naturum (Naturmuseum) und der dazugehörigen offiziellen Touristeninformation, die Schule, das vor allem auf Angler spezialisierte Ammarnäs Guidecenter und ein paar Meter weiter östlich auch der für die ca. 170 Einwohner und Touris ausreichend dimensionierte Supermarkt.

"Ammarnäs City"

Auf dem Weg zum Ortseingang laufe ich den schon beschriebenen Abschnitt auf der Straße 363 entlang, von dem aus nach Osten ein kleiner Weg zu einem Beobachtungsturm abzweigt. Der Turm ist wohl in erster Linie für Vogelbeobachtungen gedacht, worauf die besten Aussichten wohl im Frühsommer bestehen. Als ich dort vorbeischaue, gibt es jedenfalls nichts Gefiedertes und auch kein sonstiges Getier zu sehen. Dafür überblickt man aber den Gautsträsket mitsamt den Überschwemmungswiesen ganz gut und hat auch den Potatisbacken mit seinen vollen Ausmaßen im Blick.

Potatisbacken

Kurz vor dem Holzzelt steht am Straßenrand auch noch eine große und zudem beleuchtete Übersichtstafel mit (nahezu) allen in Ammarnäs vorhandenen bzw. für Touris interessanten Einrichtungen.

Tourigramm

Etwas abseits der Straße bekommt man teilweise aber auch das Kontrastprogramm zu den Vorzeigeecken zu Gesicht, was aber Ausnahmen sind.

Everything Dies

Mehr noch als der Potatisbacken ist aus etwas größerer Entfernung der zweite Charakterhügel (bzw. im Vergleich zum Potatisbacken dann doch schon eher) -berg zu sehen mit einigen markanten Schneisen für das winterliche Skivergnügen.

Skipiste(n) auf dem Näsberget
 

Debilofant

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Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt im Hotelzimmer und einer leicht verspäteten Mittagsmahlzeit geht es mit frisch geladenem Akku für die wenigen noch bis zum Dunkelwerden verbleibenden Stunden auf eine letzte Runde vor die Türe. Einen richtigen Plan, wohin es gehen sollte, hatte ich in Anbetracht der paar Stündchen nicht. Losgelaufen bin ich zunächst einmal das letzte Stück Sackgasse der Straße 363 in Richtung Stor-Tjulträsket, den Tjulträskvägen, in der Hoffnung, im Vorbeigehen hier und da noch ein paar Herbstfarben eingesammelt zu bekommen.

Herbstfarben ...


... am Straßenrand ...


... und im Mischwald



Schmalblättriges Weidenröschen
 

Debilofant

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Bis zum Stor-Tjulträsket bin ich aber nicht durchgelaufen, sondern nach ca. 3/4 der Strecke vorher links in den Wald hinein. Dort ging es dann leicht bergab und an einer mächtigen Ameisenburg wie aus dem Bilderbuch vorbei, bis ich nach gar nicht mal so langer Strecke an eine Hängebrücke komme, die über den in diesem Bereich von Felskanten eingeengten und dadurch anständig dahinrauschenden Tjulån führt.

Ebereschenspross in herbstlichem Farbdreiklang


Lugburz


Tjulån

Hinter der Brücke entere ich dann den Tjulträskleden, einen der lokalen Wanderwege, der über weite Strecken am Südufer des Tjulån, teilweise aber auch durch den Wald zurück nach Ammarnäs führt. Dem Tjulträskleden in Richtung Ammarnäs folgend stoße ich am Boden auf zum Teil ausgedehnte Teppiche aus Espenlaub und mehrere steinzeitliche Fallgruben, wie sie in der Zeit von ca. 2000 bis 3000 Jahren v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert hinein vor allem zum Fang von Rentieren und Elchen mit erstaunlicher Effektivität (und Grausamkeit) eingesetzt wurden, weswegen sie auch relativ frühzeitig ab dem 16. Jahrhundert Stück für Stück verboten wurden. Das und noch ein wenig mehr steht (so ungefähr) u.a. in Englisch auf den jeweils neben den Gruben stehenden und wiederum von der EU gesponserten Erklärbärtafeln.

Leaves


Fångstgrop
 

Debilofant

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Im Wald gab es auch noch Pilze, gar nicht mal so wenige, aber im Vergleich zu den Riesentellern, die ich zu Tourbeginn in Hemavan zu Gesicht bekam, wirkten die Exemplare hier geradezu mickrig. Ob es überhaupt Speisepilze waren oder es sich um Exemplare aus dem Giftschrank für Kräuterhexen handelte, vermag ich nicht einmal zu sagen, dafür kenne ich mich mit Pilzen zu wenig aus.

Herbal Movement

Außerhalb der Waldzone standen immer wieder nicht zu übersehende Trollblumen, deren Blätter im Herbst schon von Weitem in zig Varianten feuerrot mit Gelb- und/oder Lilaanteilen leuchten.

Autumnal Fires

Am Ufer des Tjulån befinden sich hier und da auch noch ein paar Holzschober und Grill- bzw. Rasthütten für Angler. Für eine nähere Inspektion hatte ich jedoch keine Zeit mehr, denn es wurde vor lauter Wolken schon recht zeitig schummerig und leichten Regen bekam ich auf den letzten Kilometern auch noch spendiert. Von Farben war unter diesen Bedigungen außer im Nahbereich nicht mehr viel zu sehen, weshalb ich in der folgenden Aufnahme ausnahmsweise alle Farben nachträglich am PC eliminiert, sprich das Bild halt komplett in schwarz-weiß umgewandelt habe.

Monochrome


Within Symmetry


Deep Purple

Die Kopflampe hatte ich natürlich wieder nicht mitgenommen, obwohl ich sie zum Schluss auch auf diesem Kurztrip beinahe noch gebraucht hätte, denn das Hotel erreiche ich erst im Halbdunkel.

Der letzte volle Tag vor Ort ist damit auch abgehandelt.
 
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Debilofant

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23.09.2020 (Heimfahrt):

Am 23.09.2020 hieß es noch einmal Ausschlafen und Abschied nehmen. Der Bus nach Umeå sollte erst kurz nach Mittag von Ammarnäs abfahren. Bis dahin habe ich natürlich keine Großunternehmung mehr gestartet, sondern nur noch auf die Schnelle zwei im Dorf stehende Original-Samenkoten abgelichtet, von denen eine gleich direkt im Hof des Wärdshus steht. Es gibt draußen im Fjäll um das Ammarfjället herum ungefähr noch ein halbes Dutzend solcher Koten, die aber nicht an den Hauptwanderwegen liegen und im Gegensatz zu den beiden Dorfexemplaren überwiegend wohl auch nicht in allerbestem Zustand sind.

Samenkote am Kopplassvägen ...


... und direkt hinterm Wärdshus

Mit dem Bus ging es dann unter dem Holzzelt hindurch in Richtung Sorsele, und zwar immer den Vindelälven entlang. Die Durchfahrt durchs Holzzelt lässt sich aus dem Bus heraus zwar nicht mit der Kamera einfangen, aber ich hatte ja vom Vortag noch die restlichen 50 % vom zugleich als Ortsausgangsschild fungierenden Holzzelt ;) in petto.

Bye, bye Ammarnäs, bye, bye Vindelfjäll

Aufgrund einer kurzfristigen Fahrplanänderung brauche ich in Sorsele noch nicht einmal umzusteigen, denn der Bus fuhr über Lycksele direkt nach Umeå durch. Bei Ankunft in Umeå hatte ich noch einige Stunden Zeit, bis der Nachtzug nach Stockholm abfahren würde. Diese Stunden zu überbrücken war trotz eines kleines Stadtrundgangs durch die überraschend belebte und modern daherkommende Stadt sowie trotz eines Abstechers zum Ufer des Umeälven, in den kurz vor Umeå der Vindelälven mündet, dann ausnahmsweise nicht sonderlich prickelnd, aber lieber etwas früher am Bahnhof sein und dort ablungern als den reservierungspflichtigen Nachtzug zu verpassen. Während der Warterei treffe ich ein älteres Ehepaar aus Hannover, das im Gegensatz zu mir in den letzten Wochen den gesamten Kungsleden gelaufen war und die Rücktour ab Stockholm mit dem Flugzeug absolvieren wollte. Was sich im ersten Moment nach einer deutlich schnelleren Reisevariante anhörte, stellte sich in Sachen Zeitersparnis als marginal heraus, denn die Ankunftszeit der etwas umständlichen Flugvariante lag nur 3 Stunden vor meiner Zugankunft in Hannover.

Mit diesem grob skizzierten Rückreisegeschehen soll es dann auch gut sein, der Reisebericht ist hier und jetzt zu Ende.

Résumé:
Wie zwischendurch schon erwähnt, hatte ich diese Trekkingtour im Alleingang als insgeheimen Lebenstraum jahrelang unentschlossen vor mich her geschoben, und bin demtentsprechend auch heute noch heilfroh, diesen 2016 nun doch endlich mal verwirklicht zu haben. Den Zeitpunkt für die Ruska-Zeit hatte ich genau getroffen und das Wetter war allen anfänglichen Befürchtungen zum Trotz für diese Zeit im hohen Norden unterm Strich überdruchschnittlich gut, weit überdurchschnittlich sogar. Man kann es vom Wetter her jedenfalls (selbst im Hochsommer) weitaus schlechter erwischen bzw. schon im September mit Frost und Schnee ein dickes Problem bekommen, was gemäß einigen von mir gelesenen Reiseberichten etwa 2019 bei nicht wenigen Herbsttouren der Fall war. Im Übrigen gab es nach meiner Abreise auch im Herbst 2016 kein wirklich schönes Wetter mehr dort oben.

Gelaufen bin ich einschließlich der mit Leichtgepäck absolvierten Tagesausflüge schätzungsweise so an die 150 km, davon offiziell 78 km auf dem Kungsledenabschnitt zwischen Hemavan und Ammarnäs. An die Rucksackschlepperei hatte ich mich innerhalb der ersten drei Tage recht schnell gewöhnt, und meine größte Befürchtungen, dass die Kniegelenke streiken würden oder ich mich mit Rückenschmerzen oder etwa Blasen an den Füßen herumplagen müsste, hatten sich nicht bewahrheitet. Hierzu wäre allerdings noch ergänzend anzumerken, dass ich körperlich nicht völlig unvorbereitet aufgebrochen bin, d.h. ich hatte daheim ein paar Monate lang zuvor die ein oder andere Joggingrunde zusätzlich absolviert und bewusst Kondition gebolzt. Gleichwohl ist man am Ende so mancher Tagesetappe ziemlich platt und schläft dafür über Nacht wie ein Murmeltier. Im Ergebnis der gesamten Tour war ich nach der Urlaubsrückkehr fit wie ein Turnschuh bzw. so fit wie die letzten 20 Jahre zuvor nicht mehr und hatte ganz nebenbei sage und schreibe auch noch um die 7 kg abgespeckt, obwohl ich normal gefuttert bzw. in den Hütten abends regelmäßig zwei gehäufte Teller Nudeln verputzt habe. Dumm nur, dass dieser Effekt ein knappes Jahr später teilweise schon wieder verpufft war... :whistling

Meine sehr großzügig bemessene und selbst mit meinem Bummeltempo nicht ausgereizte Zeitplanung würde ich wieder genauso kalkulieren, denn es war maximal entspannt und fürs Fotografieren war mein überdimensioniertes Zeitpolster ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Die Anzahl der Kamera-Akkus hatte gelangt, wäre aber mit Sicherheit knapp geworden, wenn ich Polarlichter mit Langzeitbelichtung hätte einfangen müssen.

Sonst noch was?

Ach ja, daheim hatte ich mit der Rodung eines vollbartähnlichen Wildwuchses zu kämpfen, denn einen Rasierapparat hatte ich nicht mitgeschleppt und während der Tour auf Nassrasur umzusteigen lag mir auch fern. Das war aber auch nicht weiter wild, denn Fotos von mir selbst hatte ich im späteren Verlauf der Tour ohnehin keine mehr gemacht und die letzten Tage um Ammarnäs herum bin ich mehrere Tage hintereinander keiner Menschenseele begegnet.

Hat mir auf dieser Tour irgendetwas gefehlt?

Jain, soll heißen obwohl ich auf der ganzen Tour nicht einen einzigen Berglemming, keinen Elch, etc. und auch keine Polarlichter gesehen habe, hatte ich eine absolut fantastische Zeit und war mit dieser Tour so wie sie war und verlief zu 100 % zufrieden. Das, was ich nicht zu sehen bekam, wäre letztlich nur als Sahnehäubchen on top dazugekommen, denn alles zusammen kann man halt nicht haben. Und, last but not least - Strom, Handy, Internet und alles Sonstige, was den normalen Alltagstrott heutzutage so ausmacht, habe ich (bis auf die Dusche) definitiv zu keiner Sekunde vermisst!

Flashback

Tschau Debilofant
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PS.: Angelinfos sind nicht vergessen und folgen dann noch.
 
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Lajos1

Well-Known Member
Hallo,

vielen Dank für Deine, sehr ausführliche äußerst interessante, Darstellung Deines gesamten Trips.
Den Kungsleden hätte ich auch mal vorgehabt, wurde dann nie etwas daraus und heute bin ich mir dafür doch ein bißchen zu alt. Vor rund 50 Jahren ging ich mal so 110 Kilometer durch die Hardangervidda (mit der Fliegenrute dabei) war sehr schön damals, richtig fort von der Zivilisation, kann deine Begeisterung daher Nachempfinden. Nochmals vielen Dank, bei den Fotos ging mir das Herz auf.

Gruß

Lajos
 

Debilofant

Well-Known Member
@ Lajos1: Danke für Deine Rückmeldung mit einschlägiger Backgrounderfahrung aus der Hardangervidda! Das mit der tickenden Uhr stimmt und war ja auch mit ein Faktor, der mir geholfen hat, doch endlich mal den Popo für so eine Tour hochzubekommen. Immerhin habe ich auf der Tour auch ein paar ältere Leute jenseits der 60 getroffen, die noch ziemlich munter in der Spur waren, allerdings auf reiner Hüttentour mit deutlich weniger Gepäck. Sofern es die Gesundheit und die Zeit zulässt, werde ich künftig mit Sicherheit noch einmal mit Rucksack und Zelt aufbrechen, grobe Vorstellungen sind jedenfalls schon vorhanden.

Ergänzende Infos zum Gebiet und insbesondere zur Fischerei:

Das Vindelfjäll zwischen Hemavan und Ammarnäs dürfte auch in Schweden zu den noch nicht überlaufenen, exklusiven Perlen für Naturliebhaber aller Couleur zählen und wurde in der Vergangenheit desöfteren bzw. eigentlich schon regelmäßig auch von der schwedischen Königsfamilie zwecks Kurzurlaub und eben auch zum Fischen aufgesucht. Einen ersten Überblick und Eindruck kann man sich Online anhand der Broschüre "Sorsele/Visit Vindelälven" verschaffen, wenngleich das verlinkte Exemplar aus dem Jahr 2017 nicht mehr ganz taufrisch ist:

https://issuu.com/visitvindelalven/docs/destinationsbroschyr_sorsele

Allein nach den mir bekannten Presseberichten war etwa Kronprinzessin Victoria in den Jahren 2000 und 2018 in Hemavan und Ammarnäs zu Besuch mit u.a. Stippvisite am Tärnasjön-Fiskecamp, am etwas weiter südöstlich ebenfalls im Vindefjäll gelegenen See Överst Juktån, zum "Arbeitseinsatz" auf dem Kartoffelacker in Ammarnäs nebst Inspektion einer der von mir abgelichteten Samenkoten, im Samen-Camp Geunja im Tjulträskdalen sowie in der Skiweltmeister-Hochburg Tärnaby.

Kronprinsessan Victorias resa i Vindelfjällen och Vindelälvsdalen 5-6 september 2000


König Carl XVI. Gustaf war Ende Juli/Anfang August 2014 zu Füßen des Norra Storfjället in Sachen Förderung eines nachhaltigen Fischereimanagements zu Besuch und hat außer der Unterstützung des langfristig angelegten Forschungsprojekts auch selbst zur Fliegenrute gegriffen.


Wie bereits erwähnt, liegt am Ufer des Tärnasjön unweit der 5 Hängebrücken das Tärnasjön Fiskecamp ("Fjäll & Fiske"), das außer zu Fuß nur mit Helikopter erreichbar ist. Es gibt im Bereich des Seeauslaufs und zwischen den Inselschären spezielle Fliegenfischerzonen mit striktem C&R-Gebot. Außerhalb der strömenden Fliegenfischreizonen darf wohl auch vom Boot geangelt und eine bestimmte Fangmenge entnommen werden. Neben Forellen beherbergt der Tärnasjön arktische Saiblinge, die sich auch im Winter vom Eis aus fangen lassen.

Um Ammarnäs herum gibt es außer kleineren Bergseen mit ebenfalls fast durchgehend vorhandenen Betsänden an arktischen Saiblingen, etwa Bertejaure, einen nahezu einzigartigen See/Fluss-Gewässerkomplex, bestehend aus Lill-/Stor-Tjulträsket und Tjulån sowie Vindelälven und Gautsträsket, die letztlich alle miteinander in Verbindung stehen. Diese Bedingungen sind es wohl, die für außergewöhnliche Bestandsdichte und Fischgrößen verantwortlich sind. Allen voran zu nennen ist der Bestand an gigantischen Bachforellen, die ihrer lokalen Großwüchsigkeit wegen eigens mit dem internationalen Zauberwort "Ammarnäs Trout" gelabelt werden, denn wer die Bildsuche von Google anwirft, fällt fast vom Stuhl, denn es werden regelmäßig Fischgrößen wie von einem anderen Stern gefangen, im Schnitt von 3-4 kg bis hin zu über 8 kg.

Weiteres Highlight ist eine Äschenfischerei, die man auch in Schweden nicht so ohne Weiteres findet. Exemplare von um die 3 Pfund sind wohl "Standard", und das äußerst zahlreich. Auf die Schnelle zwei kurze Videos mit Äschenfängen aus "Ammarnäs-City", also schräg gegenüber des Wärdshuset bzw. schlappe 400 m von der Bushaltestelle entfernt aus dem Bereich des Tjulån, den ich teilweise schon aus meinem Hotelfenster sehen konnte (Bild "Morning View"), also sozusagen direkt vor der Haustüre (im zweiten Video ist zwischenzeitlich das ca. 200 m von der Bushaltestelle entfernte Feuerwehrhaus in der oberen rechten Bildecke zu sehen).



Eine schöne Allroundfischerei mit der Fliegenrute in landschaftlich exklusiver Lage bietet etwa die Verbindungsengstelle zwischen Lill-Tjulsträsket und Stor-Tjulträsket zu Füßen des Stuor-Ájgart bzw. im Bereich von Matsokudden.


Letztes Highlight des Gewässerkomplexes ist die Chance auf eine Neozoenenart, die es in Skandinavien sonst nur in sehr wenigen Gewässern gibt. Man hat wohl versucht, sie um Ammarnäs herum auszurotten, weil die anderen Salmonidenbestände unter zu großer Gefräßigkeit zu leiden drohten, es hat aber nicht funktioniert. Die Rede ist von amerikanischen Seesaiblingen, wohl besser bekannt unter dem Namen Namaycush (schwedisch: Kanadaröding), die bislang in Größen von immerhin über 10 kg gefangen wurden, vor allem wohl im Bereich Stor-Tjulträsket.

In Sachen Fischerei bekommt man die beste Orientierung über die Internet-Seite des Ammarnäs FVO. Darüber hinaus bekommt man aber auch von den kommerziellen Anbietern (u.a. Ammarnäs GuideCenter, Wärdshus, Fish Your Dream, Kraddselefiske) eine breite Palette an Infos und zig Varianten an Buchungsmöglichkeiten. Wer es ganz exklusiv mag, bekommt über den Anbieter Fjällhästen auch einen mehrtägigen Angeltrip ins Ammarfjället zu den Seen und Bächen im Skebleskalet mit dem Pferd bzw. Islandpony als Transportmittel einschließlich einer Ausnahmegenehmigung von den samischen Gewässereigentümern gebucht, also ganz exklusiv, wenn man will.

Vieles läuft über Guides, denn es ist wohl in Abhängigkeit von Jahreszeit und Wasserstand sowie aktuellem Insektenaufkommen nicht so leicht, die aktuellen Hot-Spots in dem doch weitläufigen bzw. eben miteinander verknüpften Gewässersystem ausfindig zu machen. Letztlich reicht das Angelgebiet nach Norden hin bis zum Höbäcken bzw. hinter dem Fischschongebiet wohl auch noch der Bereich um Mankeforsen, nach Westen hin bis zum Lill-Tjulträsket und nach Süden hin gar bis nach Sorsele. Angelsaison ist von ca. Ende Juni bis Ende August/Anfang September. Um Ammarnäs gibt es ebenfalls gesonderte Abschnitte nur für Fliegenfischer, d.h. Spinnfischen ist nur stellenweise erlaubt und Wurm natürlich überhaupt nicht.

Auf YouTube gibt es natürlich noch reihenweise Videos, welche die international unbestrittene Sonderstellung der Fliegenfischerei rund um Ammarnäs eindrucksvoll und zuallermeist auch mit allem drumherum sehr sehenswert untermauern.

Soviel dann an Zusatzinfos, was die Angelei anbelangt.
 
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Tomasz

Well-Known Member
Danke für diesen spannenden und sehr eindrucksvoll bebilderten Bericht. Es hat großen Spaß gemacht, Dich auf diesem Abenteuer zu begleiten und für mich hat sich nach dem eiskalten Winter in Lappland ein neuer Traum aufgetan.

Viele Grüße

Tomasz
 

Debilofant

Well-Known Member
Danke Tomasz!

Freut mich natürlich ganz besonders, dass es Dir gefallen hat und auch etwas an Inspiration für Dich dabei war. Einen richtigen Wintertrip habe ich noch nicht erlebt, da muss ich für die kommenden Järchen definitiv auch mal was ausbrüten.

Tschau Debilofant
 
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