Sie ist sicher so alt wie das Lachsangeln selber. Die Frage, warum Atlantische Lachs überhaupt beißen. Lassen wir einen weiteren Fachmann zu Wort kommen. Diesmal: Paddy McDonnell.
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Hier passte alles und der Lachs schlug zu

Bereits in FISCH & FLIEGE 73 äußerte sich Baldur Arni Baldursson zum Thema, warum Lachse beißen. Und was sagt Paddy McDonnell dazu?
Die Tatsache, dass Lachse nicht aktiv fressen, wenn sie aus dem Meer zurückkehren, und die Frage, warum sie überhaupt fressen, ist seit vielen Generationen Gegenstand diverser Diskussionen. Bevor relativ neue wissenschaftliche Studien uns ein umfassenderes Bild davon vermittelten, was im Stoffwechsel des Lachses vor sich geht, hielten Angler eine Vielzahl von Lösungsvorschlägen für diese uralte Frage bereit. Die Theorien über das Fressverhalten der Lachse reichten von der Magie bis zur Logik, und alles dazwischen. Wenn wir diese Frage jedoch auf rein logische Weise angehen und uns auf einige bekannte Verhaltensweisen der Lachse stützen, und unsere Erfahrungen am Fluss berücksichtigen, können wir einen guten taktischen Ansatz finden, dass sie unsere Fliege nehmen.

Die Rückkehr

Nachdem der Lachs einige Jahre als Jungfisch im Fluss verbrachte, wagt er sich als kleiner Fisch ins Meer und kehrt normalerweise ein oder zwei Jahre später zurück. Er ist schnell gewachsen und bringt es auf zwei bis etwa acht Kilo. Er wird in so kurzer Zeit so groß, weil er eine Fressmaschine ist. Der Lachs jagt und frisst unermüdlich Beutetiere wie kleine Fische, Garnelen und andere Leckereien, während er im Meer unterwegs ist. Wenn wir erst einmal erkannt und akzeptiert haben, dass er eine Fressmaschine und ein wildes Raubtier ist, ist es viel einfacher zu verstehen, wie er sich bei der Rückkehr in seinen Heimatfluss verhalten könnte.

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Lachs: frisch aufgestiegen und bissig

Aus verschiedenen Forschungsstudien wissen wir, dass Lachse nach ihrer Rückkehr ins Süßwasser nicht aktiv fressen, sondern dass der Fress-/Tötungstrieb, den sie im Meer innehatten, bei einigen Fischen nicht vollständig unterdrückt wird. Diese Unterdrückung des Tötungsinstinkts kann von Fluss zu Fluss sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Lachse, die in isländische Flüsse zurückkehren, sind sehr aggressiv, während Lachse, die in französische oder spanische Flüsse ziehen, weit weniger aggressiv sind. Je weiter die Reise eines Lachses von seinen Futtergründen im Meer zurück zu seinem Heimatfluss ist, desto mehr Zeit hat sein Stoffwechsel, um allmählich den „Killerknopf“ auszuschalten.

Auf Reflexe achten
Lachse, Hechte, Barrakudas und andere Raubfische haben eines gemeinsam: Sie sehen es nicht nur auf Beute im Allgemeinen ab, sondern vor allem auf verletzte Exemplare. Dieses Konzept der gefährdeten Beute und die Fähigkeit, mit unseren Fliegen ein Abbild dieser gefährdeten Beute zu präsentieren, ist für Lachsangler enorm wichtig. Denn das Gehirn eines Lachses ist nach seiner Zeit im Meer darauf eingestellt, sofort zu reagieren und gefährdete Beute anzugreifen. Da Raubfischen meist nur sehr wenig Zeit bleibt, um auf ihre Beute zu reagieren, greifen sie häufig aus Reflex sofort an. Diese reflexartige Tötungsreaktion auf das, was der Lachs als verletzte Beute ansieht, vor allem, wenn er frisch geschlüpft ist, sollte die Hauptgrundlage für unsere Fischereitaktik sein. Später, wenn sich die Lachse an bestimmten Plätzen länger niederlassen, werden sie territorialer und greifen Beutetiere oder Eindringlinge an, die sich in ihr Revier wagen. Ich beobachtete schon so manches Mal, dass Lachse auf eine Art und Weise jagen, die ich nur als spielerisch bezeichnen kann. Demnach können wir auch nicht ausschließen, dass Neugier ebenfalls ein Auslöser ist. Wenn auch ein relativ geringer. Ist jedoch eine Zeitpanne der Niederlassung überschritten, nehmen sie häufig überhaupt nichts mehr.

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Die Kraft der Lachse macht süchtig

Der Thyroxinspiegel
In wissenschaftlichen Experimenten aus den späten 1980er Jahren stellte man fest, dass ein erhöhter Schilddrüsenhormonspiegel bei Lachsen deren Herzfrequenz anregt, erhöht und ihre Aufmerksamkeit steigert. Außerdem stellten die Forscher fest, dass mit zunehmender Wasserdurchflussrate mehr Thyroxin produziert wurde, was zu einer erhöhten motorischen Aktivität führte. Weiterhin wiesen Lachse einen deutlich geringeren Thyroxinspiegel auf, die sich lange in Pools aufhielten. Die Großsalmoniden können über einen längeren Zeitraum keine hohen Thyroxinwerte aufrechterhalten. Dies würde dazu führen, dass sie ihre Fettreserven unnötig verbrauchen.

Diese wissenschaftlichen Daten decken sich gut mit dem, was erfahrene Angler über Generationen hinweg beobachtet haben. Frische Lachse, die bei fallendem Hochwasser flussaufwärts ziehen, sind leichter zu fangen. Ihr Thyroxinspiegel ist erhöht und sie sind dadurch extrem wachsam und räuberisch.
Halten sich die Lachse länger an einem Platz auf und werden gezwungen, zum Beispiel bei einem Hochwasser, ihren Standort zu verlassen, weisen sie ebenfalls erhöhte Thyroxinwerte auf. Einige von ihnen werden wieder aggressiv. Lachse, die lange Zeit in Pools verweilten, sind bekanntermaßen schwer zu fangen. Denn ihr Thyroxinspiegel sinkt auf null oder bewegt sich ums absolute Minimum. Sie ruhen fast in einem „komatösen Zustand“, um ihre Energie für die bevorstehenden Strapazen des Laichens zu sparen.

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Hotspot: Poolende

Täuschen und fangen
Es gibt viele andere Faktoren, die sich unter bestimmten Bedingungen nachteilig auf den Erfolg beim Lachsfischen auswirken können. Zum Beispiel der Sauerstoffgehalt im Wasser, die Wasser-/Lufttemperatur, die Klarheit des Wassers, der Luftdruck, übermäßige Sonneneinstrahlung, Wasserlärm oder zu viel/zu wenig Wind. Wir haben keinen Einfluss auf diese Faktoren. Eine Zu- oder Abnahme einiger der eben genannten Faktoren kann unsere Erfolgschancen verbessern.

Versucht beim Fischen, Euch die Geschwindigkeit, die Richtung, den Winkel oder die Kurve vorzustellen, in der Eure Fliege schwimmt und swingt. Entscheidet, ob durch Strippen oder andere Aktionen das Bild einer verletzten Beute aufrechtzuerhalten ist. Ist es die richtige Größe und Farbkombination des Musters für die vorherrschende Wassertemperatur, die Strömungsgeschwindigkeit und die Klarheit des Gewässers? Kleinere Fliegen eignen sich oft für langsamere Strömungen und klares Wasser, während größere für schnellere Strömungen und gefärbtes oder kaltes Wasser geeignet sind. Passt Eure Musterwahl an, wenn der Fluss von schmutzigem Wasser in saubereres übergeht. Dann trumpfen weniger auffällige Fliegen auf.

Wenn sie frisch und aktiv flussaufwärts ziehen und kurz am Poolanfang oder -ende halten, schlägt unsere Stunde. Dies ist unser „Ziellachs“. Sesshafte Exemplare lassen sich normalerweise im Hauptteil der Pools nieder und interessieren sich für nichts. Ich wünsche Euch viel Erfolg bei der Suche nach Eurem Atlantischen Lachs, der beißt!