Die Königin der Friedfische
oder Auf Schleienfang. . .
Nach einem viel zu langen, heißen Sommertag, den ich mit Frau und Kind am Strand verbrachte, stand die Sonne endlich tiefer.
Das hiess für mich Futter anrühren, Teig machen, Gerätschaften packen, das Auto beladen und nichts wie los.
Während sich links und rechts der Allee die Felder staubtrocken zeigten und der weit entfernte Traktor Staub aufwirbelte, folgte ich der Strasse.
So oft fuhr ich die Strecke schon, dass ich meinte sie im Schlaf zu kennen. Sie führte mich jedes mal an meinen Lieblingssee und jeder Baum und Busch der in den Jahren wuchs oder verschwand fiel mir auf.
Als ich die letzte Kurve nahm sah ich schon von weitem dass ein laues Lüftchen die Oberfläche dieses herrlichen Sees kräuselte.
Dann hielt ich, stieg aus und schaute auf das Wasser. Ich bin jedes mal wieder fasziniert von der Schönheit. Der See besteht aus zwei etwa gleich großen ovalen Teichen, die durch einen etwa halb so breiten Durchgang miteinander verbunden sind. Er ist kein Riese, man könnte ihn wohl im Fussgängertempo in einer Stunde umrunden. Ringsherum steht eine Wand aus Schilf, die nur ab und zu unterbrochen wird von den Schneisen, die die Angler hinein schnitten. Heute war aber niemand weiter zu sehen und ich war allein und glücklich.
In der ersten Hälfte wollte ich mir einen Platz suchen.
Ich schultere also meinen Krempel und lief querfeldein etwa 200 Meter über den Acker des Bauern, der wohl wenig erfreut gewesen wäre wenn er es denn wüsste.
Endlich leicht verschwitzt an meiner Stelle angekommen stellte ich, ohne Hast und jedes Geräusch vermeidend, erstmal ab und beobachtete die Wasserfläche. Das leichte Lüftchen hatte sich inzwischen auch gelegt, so dass die Oberfläche einem Spiegel glich.
Ich konnte ohne Probleme die Schilfhalme am anderen Ufer sehen. Es mögen fünfzig bis siebzig Meter sein und so entging mir nicht, dass neben einigen Karpfen, die sich durch grosse Blasenbetten offensichtlich kund taten, auch Schleien schon auf Nahrungssuche waren. Ihre Blasenbetten sind längst nicht so auffällig wie die der Karpfen, eher etwas schüchtern dünkte mir. Bei liebreizenden Schönheiten ja eine Tugend, die man lieben muss.
Ich griff in den Futtereimer und warf einige Hände voll auf Höhe der Schilfkante ein. Nicht als groben, plumpen Ballen. Es gibt ja hier keine Strömung. Mein Futter fiel zerstreut und kaum hörbar ein, sank langsam als Wolke zum Grund.
Es ist hier etwa eineinhalb Meter tief und ich brauchte nicht zu loten, da die Markierung, die ich vor langer Zeit an meiner beringten Stipprute anbrachte, mir die Tiefe vorgab.
Die Rute ist 5 Meter lang. Die Italiener nennen sie Bolognese-Rute. Ich benutze sie und ihre Schwestern, in unterschiedlichen Länge, gern als Stippe mit mehr Aktionsradius und Drillreserve.
Hier wusste ich dass die kleine die richtige Wahl ist, denn etwa sechs Meter vor mir fiel das Ufer steil von dreißig Zentimenter auf die erwähnte Tiefe ab und genau dort wollte ich am Fuße der Kante meinen Köder auslegen.
Mittlerweile warfen die Schilfwände schon sehr lange Schatten und das Rascheln des Schilfes war verstummt. Die Pose war an der ihr zugedachten Stelle und ich harrte der Dinge die da hoffentlich kommen.
Ein paar kleinere Blasenbetten in der Nähe des Futterplatzes zeigten mir, dass die goldgelben Schönheiten diesen Platz kennen und Appetit hatten.
Die Bleßhuhnmutter gegenüber scheuchte ihren Nachwuchs ins Nest. Gar nicht so einfach mit vier solchen Rackern. Jeder hatte etwas anderes vor und ich schaute amüsiert zu.
Halt!War da nicht was . . . .
Konzentration, ja die Pose zitterte. Lag es an den direkt neben ihr aufsteigenden Blasen?
Wieder ein leichtes Zittern der Posenspitze, die nur zwei Millimeter aus dem Wasser schaute.
Ich war vertieft, vergass alles ringsherum. War der Köder noch da oder war das Maiskorn zu weich?
Sollte ich kontrollieren oder noch warten?
Doch die Antwort kam von selbst. Die Pose hob sich und die Antenne stand bis zum Anschlag aus dem Wasser. Ich setzte einen Anhieb und merkte schon an der ersten Flucht das sie es war.
Diese heimliche Königin der Friedfische, deren Antlitz bei genauer Betrachtung jeden Aquarienfisch blass aussehen lässt, war wieder einmal dem Betrug erlegen.
Wenige mittellange Fluchten, die die Rolle nur kurz zum Singen brachten, und der Fisch bohrte unter der Rutenspitze. Doch dann war der Kampfgeist gebrochen. Sie rollte, wälzte sich noch einige Male an der Oberfläche und dann glitt sie in den Unterfangkescher. Sie hatte ihren Meister gefunden.
Ich nahm sie und betrachtete sie. „Haben wir uns schon mal gesehen?“ Sie atmete schwer wie ein Boxer nach dem Kampf. Wollte sie mir etwas sagen? Ich wusste es nicht, aber wie sie so schaute konnte ich mich nicht entschliessen sie in den Setzkescher zu verfrachten. Ich setzte sie ins flache Wasser vor meinen Füßen und beobachtete wie sie langsam davon schwamm. Sie wedelte mit der Schwanzflosse als wollte sie Danke sagen.
Nur selten und auf besonderen Wunsch der Grossmutter entnehme ich mal einige Schleien.
Inzwischen war es so dunkel, dass ich ein Knicklicht aufstecken musste. Ich warf wieder aus und wusste, daß sie nicht die Letzte in dieser Nacht war.
Dieses einmalige Gefühl mit der Natur eins zu sein und für die Tüftelei belohnt zu werden, liess mich denken wie früher, als ich noch ein Junge war und das Angeln für mich alles Glück auf Erden bedeutete. Ich war noch nicht verdorben durch Konsum und wusste nichts von menschlichen Freuden und Bedürfnissen. In den Stunden am Wasser fühlte ich mich wie zurückversetzt. Das sind die Momente an die ich mich erinnern werde wenn ich mal auf mein Leben zurück blicken muss.
Erst drei Stunden nach Mitternacht packte ich zusammen. Es waren drei Tincas die ich überlistete und alle schwimmen wieder.
Kurz vor Mitternacht hakte ich noch einen Karpfen den ich nicht zu halten vermochte und der dann ins Schilf flüchtete, so dass ich einen neuen Haken binden musste.
Ich fuhr ziemlich übermüdet nach Hause, fiel ins Bett und wusste dass ich tags darauf wieder dort sein würde.
oder Auf Schleienfang. . .
Nach einem viel zu langen, heißen Sommertag, den ich mit Frau und Kind am Strand verbrachte, stand die Sonne endlich tiefer.
Das hiess für mich Futter anrühren, Teig machen, Gerätschaften packen, das Auto beladen und nichts wie los.
Während sich links und rechts der Allee die Felder staubtrocken zeigten und der weit entfernte Traktor Staub aufwirbelte, folgte ich der Strasse.
So oft fuhr ich die Strecke schon, dass ich meinte sie im Schlaf zu kennen. Sie führte mich jedes mal an meinen Lieblingssee und jeder Baum und Busch der in den Jahren wuchs oder verschwand fiel mir auf.
Als ich die letzte Kurve nahm sah ich schon von weitem dass ein laues Lüftchen die Oberfläche dieses herrlichen Sees kräuselte.
Dann hielt ich, stieg aus und schaute auf das Wasser. Ich bin jedes mal wieder fasziniert von der Schönheit. Der See besteht aus zwei etwa gleich großen ovalen Teichen, die durch einen etwa halb so breiten Durchgang miteinander verbunden sind. Er ist kein Riese, man könnte ihn wohl im Fussgängertempo in einer Stunde umrunden. Ringsherum steht eine Wand aus Schilf, die nur ab und zu unterbrochen wird von den Schneisen, die die Angler hinein schnitten. Heute war aber niemand weiter zu sehen und ich war allein und glücklich.
In der ersten Hälfte wollte ich mir einen Platz suchen.
Ich schultere also meinen Krempel und lief querfeldein etwa 200 Meter über den Acker des Bauern, der wohl wenig erfreut gewesen wäre wenn er es denn wüsste.
Endlich leicht verschwitzt an meiner Stelle angekommen stellte ich, ohne Hast und jedes Geräusch vermeidend, erstmal ab und beobachtete die Wasserfläche. Das leichte Lüftchen hatte sich inzwischen auch gelegt, so dass die Oberfläche einem Spiegel glich.
Ich konnte ohne Probleme die Schilfhalme am anderen Ufer sehen. Es mögen fünfzig bis siebzig Meter sein und so entging mir nicht, dass neben einigen Karpfen, die sich durch grosse Blasenbetten offensichtlich kund taten, auch Schleien schon auf Nahrungssuche waren. Ihre Blasenbetten sind längst nicht so auffällig wie die der Karpfen, eher etwas schüchtern dünkte mir. Bei liebreizenden Schönheiten ja eine Tugend, die man lieben muss.
Ich griff in den Futtereimer und warf einige Hände voll auf Höhe der Schilfkante ein. Nicht als groben, plumpen Ballen. Es gibt ja hier keine Strömung. Mein Futter fiel zerstreut und kaum hörbar ein, sank langsam als Wolke zum Grund.
Es ist hier etwa eineinhalb Meter tief und ich brauchte nicht zu loten, da die Markierung, die ich vor langer Zeit an meiner beringten Stipprute anbrachte, mir die Tiefe vorgab.
Die Rute ist 5 Meter lang. Die Italiener nennen sie Bolognese-Rute. Ich benutze sie und ihre Schwestern, in unterschiedlichen Länge, gern als Stippe mit mehr Aktionsradius und Drillreserve.
Hier wusste ich dass die kleine die richtige Wahl ist, denn etwa sechs Meter vor mir fiel das Ufer steil von dreißig Zentimenter auf die erwähnte Tiefe ab und genau dort wollte ich am Fuße der Kante meinen Köder auslegen.
Mittlerweile warfen die Schilfwände schon sehr lange Schatten und das Rascheln des Schilfes war verstummt. Die Pose war an der ihr zugedachten Stelle und ich harrte der Dinge die da hoffentlich kommen.
Ein paar kleinere Blasenbetten in der Nähe des Futterplatzes zeigten mir, dass die goldgelben Schönheiten diesen Platz kennen und Appetit hatten.
Die Bleßhuhnmutter gegenüber scheuchte ihren Nachwuchs ins Nest. Gar nicht so einfach mit vier solchen Rackern. Jeder hatte etwas anderes vor und ich schaute amüsiert zu.
Halt!War da nicht was . . . .
Konzentration, ja die Pose zitterte. Lag es an den direkt neben ihr aufsteigenden Blasen?
Wieder ein leichtes Zittern der Posenspitze, die nur zwei Millimeter aus dem Wasser schaute.
Ich war vertieft, vergass alles ringsherum. War der Köder noch da oder war das Maiskorn zu weich?
Sollte ich kontrollieren oder noch warten?
Doch die Antwort kam von selbst. Die Pose hob sich und die Antenne stand bis zum Anschlag aus dem Wasser. Ich setzte einen Anhieb und merkte schon an der ersten Flucht das sie es war.
Diese heimliche Königin der Friedfische, deren Antlitz bei genauer Betrachtung jeden Aquarienfisch blass aussehen lässt, war wieder einmal dem Betrug erlegen.
Wenige mittellange Fluchten, die die Rolle nur kurz zum Singen brachten, und der Fisch bohrte unter der Rutenspitze. Doch dann war der Kampfgeist gebrochen. Sie rollte, wälzte sich noch einige Male an der Oberfläche und dann glitt sie in den Unterfangkescher. Sie hatte ihren Meister gefunden.
Ich nahm sie und betrachtete sie. „Haben wir uns schon mal gesehen?“ Sie atmete schwer wie ein Boxer nach dem Kampf. Wollte sie mir etwas sagen? Ich wusste es nicht, aber wie sie so schaute konnte ich mich nicht entschliessen sie in den Setzkescher zu verfrachten. Ich setzte sie ins flache Wasser vor meinen Füßen und beobachtete wie sie langsam davon schwamm. Sie wedelte mit der Schwanzflosse als wollte sie Danke sagen.
Nur selten und auf besonderen Wunsch der Grossmutter entnehme ich mal einige Schleien.
Inzwischen war es so dunkel, dass ich ein Knicklicht aufstecken musste. Ich warf wieder aus und wusste, daß sie nicht die Letzte in dieser Nacht war.
Dieses einmalige Gefühl mit der Natur eins zu sein und für die Tüftelei belohnt zu werden, liess mich denken wie früher, als ich noch ein Junge war und das Angeln für mich alles Glück auf Erden bedeutete. Ich war noch nicht verdorben durch Konsum und wusste nichts von menschlichen Freuden und Bedürfnissen. In den Stunden am Wasser fühlte ich mich wie zurückversetzt. Das sind die Momente an die ich mich erinnern werde wenn ich mal auf mein Leben zurück blicken muss.
Erst drei Stunden nach Mitternacht packte ich zusammen. Es waren drei Tincas die ich überlistete und alle schwimmen wieder.
Kurz vor Mitternacht hakte ich noch einen Karpfen den ich nicht zu halten vermochte und der dann ins Schilf flüchtete, so dass ich einen neuen Haken binden musste.
Ich fuhr ziemlich übermüdet nach Hause, fiel ins Bett und wusste dass ich tags darauf wieder dort sein würde.
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