Thomas9904
Well-Known Member
Vorabveröffentlichung Magazin Januar
Wie immer mit der Erlaubnis zum veröffentlichen bei uns.
Quelle:
http://thomasguenther.wordpress.com/
Fusion: Neuer Kommentar von Dr. Thomas Günther
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Fusion: Neuer Kommentar von Dr. Thomas Günther
Was jetzt zu tun ist
Die Präsidien der beiden Hobbyfischerverbände DAV und VDSF versuchen im zweiten Anlauf, die gescheiterte Fusion im Februar mit einer Abstimmungswiederholung zu reanimieren. Währenddessen spaltet sich der VDSF in drei Lager und droht auseinanderzubrechen.
Derzeit gibt es, soweit ersichtlich, drei Strömungen innerhalb des Verbandes Deutscher Sportfischer (VDSF).
1.) Das Präsidium und die ihm immer noch folgenden Landesverbände. Sie wollen nun die Fusion im Februar 2013 um jeden Preis und ohne weitere inhaltliche Befassung. Die noch „offenen Fragen“, insbesondere hinsichtlich der Finanzen, sollen erst nach der Fusion geklärt werden. Damit hat das Präsidium seinen Kurs abermals völlig verändert. Noch im vergangenen Jahr hat sich das VDSF-Präsidium dafür stark gemacht, die Fusion bis zur Klärung der „offenen Fragen“ zu verschieben. Das hatte zur Bildung der Initiative Pro DAFV geführt.
2.) Die Landesverbände Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern (?), Baden-Württemberg (VFG) und Thüringen. Sie sind aus dem VDSF ausgetreten, weil die Fusion nicht wie geplant 2012 gelungen ist. Teilweise haben sie erklärt, wieder einzutreten, wenn der Zusammenschluss im Februar gelingt (Schleswig-Holstein). Thüringen bereitet stattdessen seinen Übertritt zum regionalen DAV vor. Diese Verbände haben im vergangenen Jahr im Rahmen der Initiative „Pro DAFV“ versucht, ein Gegengewicht gegen das die Fusion verzögernde VDSF-Präsidium zu schaffen. Obwohl das Präsidium mittlerweile seinen damaligen Kurs in das Gegenteil verkehrt hat (s. Pkt. 1) verfolgen die Verbände ihre hit and run – Strategie weiter. Der Druck der (ehemaligen ?) Initiative lastet jetzt nicht mehr auf dem Präsidium, sondern auf jenen Delegierten, die der Fusion nicht (bedingungslos) zustimmen wollen.
3.) Der Landesverband Niedersachsen. Er hat die „offenen Fragen“ öffentlich gemacht. Daraus ergibt sich, dass die beiden Verbände in massiven finanziellen Schwierigkeiten sind. Sie haben in den letzten Jahren deutlich über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Rücklagen teilweise geschäftsordnungswidrig aufgezehrt. Da eine Fusion zweier Pleitiers keinen finanzkräftigen Verband ergibt und infolgedessen erhebliche Beitragsanhebungen drohen, will Niedersachsen einer Fusion erst nach Klärung der Finanzfragen die Hand reichen. Eine bloße Wiederholung der am 17. November 2012 gescheiterten Abstimmung im Februar 2013 ohne inhaltliche Nachbesserungen lehnt der Landesverband Niedersachsen ab.
Unterdessen erklärt der Präsident des Deutschen Fischereiverbandes (DFV), der Bundestagsabgeordnete Holger Ortel in einem Interview, dass er die Fusion für schlecht vorbereitet und eine Wiederholung der Abstimmung ohne Nachbesserungen demokratisch für „zweifelhaft“ hält.
Man kann den kritischen Landesverbänden nachsagen, dass sie mit ihren Beanstandungen ziemlich spät, vielleicht sogar zu spät ins Rennen gegangen sind. Der VDSF ist ein schwerer, sich langsam bewegender Tanker. Die bis in die jüngste Zeit fortgesetzten hektischen Rochaden des VDSF-Präsidiums lassen Zweifel aufkommen, ob der Kapitän noch auf der Brücke ist, bewegt er sich doch mit einem für das “Restschiff” und die Mitgliedschaft offenkundig nicht nachvollziehbarem Tempo. Jedenfalls bleibt das VDSF-Präsidium wie gewohnt eine Begründung für seinen Kurswechsel schuldig.
Die Kritik des DFV-Präsidenten ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Der VDSF ist der größte und beitragsstärkste Mitgliedsverband im DFV und sein Präsident ist gleichzeitig DFV-Vizepräsident. Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn der Präsident eines Verbandes an dem Präsidium eines Mitgliedsverbandes öffentliche Kritik übt. Das sollte nicht dazu verleiten, das Urteil des DFV-Chefs vom Tisch zu wischen. Es handelt sich eben nicht um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des VDSF. Denn der DFV muss ein Interesse an einem einheitlichen Anglerverband als Mitglied haben, aber eben auch an einem funktionierenden Mitglied. Und daran bestehen angesichts der finanziellen Lage der beiden Angelverbände erhebliche Zweifel.
Es ist zunächst in hohem Maße undemokratisch, wenn das VDSF-Präsidium nur zwei Tage nach der Abstimmungsniederlage von Berlin eine neue Beschlussfassung ohne jede Auseinandersetzung mit der Kritik durchdrücken will. Es waren eben nicht nur „zwei fehlende“ Stimmen, wie das VDSF-Präsidium stereotyp wiederholt, die die Fusion scheitern ließen. Mehr als 25% der Stimmen im VDSF waren nicht für die Fusion. Und das ist nicht nur eine beachtliche Minderheit, sondern wegen des Erfordernisses der qualifizierten Mehrheit auch eine Sperrminorität. Es ist nicht hinnehmbar, deren Gründe für die Nichtzustimmung nicht zur Kenntnis zu nehmen und sich nicht damit auseinanderzusetzen. Das ist nicht nur inakzeptabel, sondern beschwört auch das Risiko eines erneuten Scheiterns hinauf. Man mag es für müßig halten, dem VDSF-Präsidium Nachhilfe in Demokratie zu geben. Noch immer hat es sich als komplett beratungsresistent erwiesen und so wird es auch dieses Mal „Augen zu und durch!“ heißen und an der Wiederholung der Abstimmung festgehalten. Allenfalls zu einer vorherigen Verbandsausschusssitzung, wie von Niedersachsen gefordert, könnte es sich bereitfinden.
Aber es ist auch falsch, die Fusion jetzt zu „erzwingen“, ohne eine sachliche Klärung vor allem der finanziellen Fragen wenigstens in die Wege zu leiten. Angesichts der erschreckenden Zahlen der Wirtschaftsprüfer spricht fast alles dafür, dass der neue Verband sehr schnell seinen Beitragsanteil deutlich erhöhen muss. Das geht entweder zulasten der Sacharbeit in den Landesverbänden oder direkt durch den Griff in das Portemonnaie der Angler. Beides werden die Landesverbandspräsidien, die sich dem nicht entgegenstellen, gegenüber ihren Mitgliedern verantworten müssen. Das VDSF-Präsidium, das diese Fragen nicht vor einer Fusion klärt, stiehlt sich aus der Verantwortung nicht nur die Vergangenheit, sondern eben auch für die anstehende Beitragsanhebung.
Es ist daher erforderlich, jetzt ein Konzept für die Sanierung der Verbandsfinanzen und einen soliden, beitragsneutralen und transparenten Haushaltsentwurf für den künftigen DAFV vorzulegen, statt den Delegierten erneut einen Blankoscheck abzunötigen. Das sollten auch die Verbände der Initiative Pro DAFV bedenken. Ihr unveränderter Ansatz einer schnellen Fusion stammt aus einer Zeit, da das Finanzdesaster der beiden Gründerverbände noch nicht bekannt gewesen ist.
Einen soliden und transparenten Haushalt, ja sogar eine grundlegende Haushaltsstruktur braucht der neue Verband auch deswegen, weil nur so das gesetzte Ziel einer einheitlichen und starken Interessenvertretung erreicht werden kann. Einheit in Armut ist keine Stärke. Ohne Geld keine Lobbyarbeit. Wenn schon jetzt die Aktivitäten für Öffentlichkeitsarbeit drastisch reduziert werden müssen und die Verbände nicht mehr auf der politisch wichtigsten Messe, der Internationalen Grünen Woche, vertreten sind, dann spricht das nicht für Verbesserungen in der Interessenvertretung, sondern für drastische Verschlechterungen. Dass die Angler dafür aller Voraussicht nach auch noch tiefer in die Tasche greifen müssen, während der Luxus zweier Geschäftsstellen auf satte acht Jahre hin festgeschrieben werden soll, spricht der selbstgesetzten Zielstellung Hohn.
Aber es geht nicht um irgendeinen Haushaltsplan, nicht allein um Beitragsstabilität und um Ausgabenkontrolle oder eine vorübergehende Sparphase. Es geht darum, dass die Finanzen des künftigen DAFV nicht durch die strukturellen Defizite der Etats der Gründerverbände belastet werden. Dazu zählt auch die beim VDSF bewusst in Kauf genommene Intransparenz der Geldströme. Einnahmen und Ausgaben werden im VDSF-Haushalt nicht referatsbezogen dargestellt. So ist nicht erkennbar, welche Kosten tatsächlich zum Beispiel durch den Castingsport entstehen und wodurch diese gedeckt werden. Nur wenigen ist bekannt, dass ein Gutteil der Referatskosten in allgemeinen Haushaltspositionen versteckt wird. Das macht eine unterjährige Budgetsteuerung unmöglich und genau das ist wahrscheinlich ursächlich geworden für den Ausgabentsunami seit 2009. Gute Verbandsfinanzen brauchen eben nicht nur einen Haushaltsplan und einen ausgeglichenen Abschluss am Jahresende. Sie müssen auch politisch bewertbar sein. Es muss ersichtlich sein, welcher Aufwand für die Wahrnehmung der jeweiligen satzungsmäßigen Aufgaben auch im Verhältnis zu den anderen Aufgaben tatsächlich getrieben wird. Wenn etwa die Aufwendungen für die ausschließlich für den Sport tätigen Referatsleitungen nicht im Sportbudget verbucht werden, sondern bei den Auslagenerstattungen für Präsidiumsmitglieder, dann ist die erforderliche Transparenz eben nicht gegeben. Nichts anderes gilt natürlich für die Fischerei, den Naturschutz und für Gewässerfragen.
Eine solche Konsolidierung der Finanzstrukturen muss für den künftigen Verband eingefordert werden. Das Fusionsthema ist dafür der richtige Anknüpfungspunkt. Der Landesverband Niedersachsen ist da auf dem richtigen Weg. Natürlich werden die für die Konsolidierung erforderlichen Arbeiten nicht bis Ende Februar 2013 abgeschlossen sein können. Aber vor einer Fusion müssen die Grundsätze des Finanzgebarens des künftigen Verbandes klargestellt und zur Abstimmung gebracht werden. Ansonsten drohen dem künftigen Verband die Fortsetzung der Ungereimtheiten im Budget und weitere unkontrollierte Ausgabenexplosionen. Am absehbaren Ende der Verbandsrücklagen, das sieht der niedersächsische Präsident Klasing vollkommen richtig, stehen unweigerlich die an sich vermeidbaren Beitragserhöhungen.
Davor sollten die in Pkt. 2 genannten Landesverbände nicht die Augen verschließen. Denn auch sie haben ein Interesse an soliden Finanzen des Bundes und an Beitragsstabilität. Wenn sie bei ihrer Haltung bleiben, die darauf hinausläuft, dass die Delegierten angesichts ungeklärter Finanzen blanko zustimmen sollten, dann sollten sie im Hinblick auf den bereits von ihnen erklärten Austritt so fair sein, der Abstimmung Ende Februar fern zu bleiben. Ihnen mag das „Wie“ egal sein, aber sie sollten nicht die anderen durch ihr Stimmgewicht daran hindern, die Fusion endlich auf eine solide Basis zu stellen. Sollten sie entgegen ihren bisherigen Bekundungen daran mitwirken wollen, sind sie dazu bis zum Wirksamwerden ihrer Kündigung herzlich eingeladen.
Dr. Thomas Günther