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Mit einem kleinen "schnipp" ist die Fliege auf dem Wasser


Der späte Frühling und Sommer ist eine Topzeit, um mit der Fliege Forellen zu fangen. Die Fische nehmen verstärkt Anflugnahrung auf und die Trockenfliege punktet gerade jetzt besonders. Ausgerüstet mit nur leichtem Gepäck schleiche ich ganz vorsichtig am Ufer einer Talsperre entlang, die Augen immer auf die ersten fünf Meter des Gewässers gerichtet. Ich suche nach steigenden Fischen, die hier oft parallel zur Uferlinie schwimmen. Warum machen sie das? Die Frage beantwortet sich, wenn wir die Fische vorsichtig verfolgen und beobachten.

Sammler
Die Forelle sammelt Insekten von der Wasseroberfläche, die von den Ästen der Bäume gestürzt sind. Dabei ist sie so fokussiert, dass sie oft nicht bemerkt, was am Ufer passiert. Vorsichtig bewege ich mich durchs Gebüsch. Immer die Deckung der Bäume suchend, warte ich auf einen passenden Moment, um ihr mein Köcherfliegenimitat anzubieten. Nur mit einer zarten Schnipp-Bewegung – dazu später mehr – lasse ich meine Fliege auf die Wasseroberfläche schnellen. Die starke Bachforelle hat das falsche Insekt entdeckt, schwimmt unter meine Sedge und betrachtet sie. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Mit winzigen Zupfern lasse ich das Muster auf der Wasseroberfläche tanzen und es entstehen kleine Ringe. Das ist der Schlüsselreiz – die Forelle kann gar nicht anders und öffnet ihr Maul. Anhieb – vor mir explodiert das Wasser.

Wunderbar ufernah
Doch von vorne. Mehr als 15 Jahre ist es her: Den Angelschein erst frisch in der Tasche sitze ich mit meinen gerade einmal 14 Lenzen an der Talsperre und schaue gebannt auf die gegenüberliegende Seeseite. Ein älterer Angler schleicht minutenlang am Ufer entlang – den Blick starr auf den Bereich vor seinen Füßen gerichtet. Er wirft nicht einmal aus, er verfolgt nur etwas. Während andere Angler ihre Sbirolino-Montagen oder Spinnköder immer Richtung Gewässermitte feuern und sich dabei nicht gerade unauffällig verhalten, scheint er förmlich mit seiner Umgebung zu verschmelzen. Plötzlich bleibt er stehen. Einige Sekunden später steht er mit krummer Rute da und drillt eine Forelle, die sich unmittelbar vor ihm aus dem Wasser schraubt. Das faszinierte mich und ich beschloss, den älteren Herrn anzusprechen sobald er aus dem Dickicht kriecht. Gesagt, getan – bereitwillig erklärte er mir seine Methode und das veränderte alles. Er verriet mir, dass gerade die großen Forellen sehr ufernah ziehen, denn sie wissen, wo es die meisten Insekten gibt: unter den Ästen der Bäume. „Nur wenn Du ganz vorsichtig bist und dich die Fische nicht sehen, kannst Du sie beim steigen beobachten und einen fangen“ sagt er.

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Direkt unter den Ästen ziehen die Fische

Mein komplettes Forellenangeln wurde umgekrempelt und ich begann zu verstehen, warum er da so am Ufer entlang pirschte. Er verfolgte die Fische und legte ihnen seine Fliege direkt vors Maul. „Probier's mal aus“ schlug er mir vor. Das machte ich natürlich und über die Jahre verfeinerte ich diese Technik, bis sie zu dem wurde, was sie heute ist: eine todsichere Methode, um große, schlaue Forellen, die an dicht bewachsenen Ufern Fliegen von der Oberfläche naschen, zu fangen.


Gut geschnippt ist halb gefangen
Viel zu oft habe ich in der Vergangenheit versucht, steigende Fische mit Spinnködern aller Art zu überlisten – das klappte nur sehr selten, haben sich die Fettflossenträger doch zu sehr auf ein Beuteschema festgelegt. Insekten müssen als Köder dienen. Da die Uferbereiche der Talsperren völlig zugewachsen sind und selbst das Angeln mit der Spinnrute an vielen Bereichen nicht möglich war, schied klassisches Fliegenfischen jedoch gänzlich aus, um die kleinen Insektenimitationen zu präsentieren. Rückwürfe sind nicht möglich und die schwere Flugschnur ist bei Rollwürfen viel zu auffällig und verscheucht die vorsichtigen Forellen im Stillwasser. Auch mit Sbirolinos oder Wasserkugeln ist es schwer. Die Wurfgeschosse schlagen auf dem Wasser ein wie Steine – die Scheuchwirkung ist enorm und ein Beangeln einer am Ufer ziehenden Forelle ist kaum möglich. Aber wie bietet man nun so einen leichten Köder an, wenn nicht mit der Fliegen- oder Sbirolinorute? Eins hatte ich ja vom alten Angler aus meiner Jugend gelernt: Die kleinen Insektenimitationen müssen nicht weit raus befördert werden, um zu fangen. Ich begann zu experimentieren. Oft musste ich meine Rute durch eine kleine Lücke zwischen den Ästen stecken, um überhaupt an heißen Bereichen mit dem Köder über die Wasseroberfläche zu kommen. Mit der Zeit fand ich heraus, dass man die leichten Fliegen an freier Leine wunderbar schnippen lassen konnte – die Schnippmethode war geboren! Doch wie funktioniert das nun genau und was brauchen wir dafür?

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Ungewöhnlich aber fängig: Spinnrolle und Fliegenrute

Meine Schnipp-Ausrüstung
Extrem wichtig für diese Technik ist eine passende Rute. Nicht zu lang darf sie sein, sonst kommen wir im Buschwerk nicht mehr klar. Um die kleinen Fliegen gut schnippen zu lassen, sollte die Gerte recht weich sein. Über die Jahre hat sich bei mir eine sehr ungewöhnliche Kombo für diese Angelei etabliert. Ich verwende eine 2,55 Meter lange Teleskop-Fliegenrute der Schnurklasse 5/6, die ich mit einer kleinen 1000er Spinnrolle bestücke. Diese Kombination bietet einige Vorteile: Die Fliegenrute ist sehr weich, was bei Bissen vor den Füßen extrem wichtig ist, da sie die heftigen Fluchten gut abfedert. Außerdem bringt sie unsere leichten Köder zwei bis vier Meter weit aufs Wasser – das reicht völlig. Die Spinnrolle gibt zuverlässig Schnur frei – bei kampfstarken Forellen, die bei einem Biss in unmittelbarer Nähe förmlich explodieren, ein Muss. Weiterhin können wir super dünnes Geflecht auf die Rolle spulen. Eine Fliegenschnur zieht aufgrund ihres Eigengewichtes unsere kleine Imitation nach dem Schnippen wieder zu uns zurück und ist extrem auffällig, sobald sie auf die Wasseroberfläche platscht. Ein weiterer Vorteil der Kombo ist das geringe Packmaß. Meine Tele-Fliegenrute hat eine Transportlänge von gerade einmal 40 Zentimeter und passt in jede Tasche. Somit kann ich die Gerte immer dabei haben, auch wenn ich nicht sicher bin, ob die Fische überhaupt steigen werden. Als Vorfach verwende ich eine 0,14er Mono – dass reicht bei einer gut abgestimmten Kombo aus weicher Rute und Stationärrolle mit sauber arbeitender Bremse aus. Eine Pol-Brille erleichtert den Blick ins Wasser und hilft uns, die Fische zu finden. Meine Lieblingsköder für's Schnippen sind schwarze oder braune Köcherfliegen (Sedges) oder Käferimitationen. In diesem Artikel erfahrt Ihr mehr über die Sedge.

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Eine handvoll guter Trockenfliegen bringen immer gute Forellen

Der Trick mit dem Schnipp
Forellen haben ein ausgezeichnetes Sehvermögen und wir kommen bei dieser Angelei den Fischen sehr nahe. Um von den Fischen unbemerkt zu bleiben, ist gedeckte Kleidung also Pflicht. Ich bin wirklich kein Fan von Armee- oder Camouflage-Looks – die müssen auch nicht zwingend sein – aber Tarnkleidung macht uns quasi unsichtbar für die Salmoniden. Doch auch auf unsere Bewegungen müssen wir achten: zu hektisch oder unvorsichtig dürfen sie nicht sein. Wenn wir einen Fisch entdeckt haben und verfolgen, sollten wir uns immer etwas hinter ihm befinden. Die Forellen sind auf die Wasseroberfläche fixiert, nehmen aber Bewegungen am Ufer sehr gut wahr. Halten wir uns im Rücken der Fische auf, fällt ihnen dies deutlich schwerer. Oft kommt es vor, das die Salmoniden unmittelbar nachdem sie eine Fliege von der Oberfläche erbeutet haben die Richtung wechseln und nun direkt auf uns zu schwimmen. Haben wir jetzt eine ungünstige Position, dürfen wir auf keinen Fall krampfhaft versuchen das zu ändern – der Fisch würde uns entdecken und verschreckt ins Tiefe ziehen. Wir müssen warten, bis der Fisch an uns vorbei gezogen ist. Stehen wir aber günstig, können wir die Fliege vorsichtig schnippen lassen. Dabei nehme ich die Imitation in die linke Hand, gebe nur soviel Schnur, dass ich die Rute unter Spannung bringen kann und lasse im richtigen Moment die Fliege einfach los. Diese schnellt übers Wasser und fällt drei bis vier Meter von uns entfernt auf die Oberfläche.

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Christian hat eine Forelle entdeckt und lässt die Fliege schnippen

Im Optimalfall hat die Forelle das Kunstinsekt bemerkt, schwimmt langsam heran, um es genüsslich von der Oberfläche zu naschen. Das ist ein wirklich spannender und beeindruckender Moment. Kommt der Fisch nicht von alleine, können wir mit leichten Zupfbewegungen Leben in unsere Insektenimitation hauchen. Dabei entstehen kleine Ringe, die einen magischen Reiz auf die Salmoniden ausüben und diese die Fliege alles andere als vorsichtig aufnehmen. Der Vorteil bei dieser Technik ist, dass wir die Schnur komplett aus dem Wasser heben können und nur die Fliege auf der Oberfläche liegt. Selbst den schlauesten Forellen ist es so unmöglich, den Haken an der Sache zu erkennen! Hat der Fisch unsere Fliege genommen, setzen wir einen vorsichtigen Anhieb, indem wir die Rute nur leicht nach oben führen.

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Mit dieser Methode machen auch die Halbstarken Spaß

Die Rollenbremse muss sehr weit geöffnet sein, dass die flüchtende Forelle ungehindert Schnur nehmen kann. Läuft die Leine nicht ungehindert von der Rolle, kommt es bei dem dünnen Vorfach unweigerlich zu Schnurbruch und Fischverlust. Im Drill macht sich ein weiterer Vorteil der Teleskop-Fliegenrute bemerkbar – ist durch das ganze Geäst wenig Platz, können wir die Rute durch Zusammenschieben verkürzen. So ist es möglich, doch noch vernünftig zu drillen. Besonders im Hochsommer lohnt es sich, diese Technik auf dem Zettel zu haben. Ich konnte bei brennender Hitze und gleißendem Sonnenlicht im schattigen Bereich der Bäume mitten am Tag meine besten Fische fangen. Wie sagte der alte Mann aus meiner Jugend: „Probier's mal aus“! Viel Spaß beim Schnippen.

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Auch Regenbogenforellen lassen sich mit der Schnipp-Methode fangen
 
Hallo,

hat zwar nichts direkt mit dem Schnippen zu tun, ich habe aber oft erlebt, dass sich Angler abmühten einen 20-Meter Wurf hinzukriegen, währen stattliche Forellen fast vor ihren Füßen standen.

Petri Heil

Lajos
 
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