AW: Lebende köfis
Hier für alle interessierten das orginal Setzkescherurteil aus Niedersachsen
Rechtskräftig seit 25.05.00
Rinteln, den 20.06.00
Urteil
Im Namen des Volkes!
In der Strafsache
gegen
1. Karl-Heinz B.
2. Reiner H.
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz
Das Amtsgericht in Rinteln hat in der Sitzung vom 17.05.2000, an der teilgenommen haben
Richterin am Amtsgericht v.B.
als Strafrichterin
Staatsanwalt H.
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt Prof.Dr.Göhring, Berlin zu 1.,
Rechtsanwalt Dr. Mollnau, Berlin zu 2.,
Justitzangestellter G.
als U.d.G.d.A.
für Recht erkannt:
Die Angeklagten werden freigesprochen.
Die Kosten des Verfahren und die notwendigen Auslagen der Angeklagten werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe
(gem. § 267 Abs. 5 StPO)
Die Staatsanwaltschaft Bückeburg hat den Angeklagten jeweils mit Strafbefehl vom 22.12.1998 vorgeworfen, eine Tierquälerei gem. § 17 Nr. 2b Tierschutzgesetz begangen zu haben,
indem der Angeklagte B. am 23.05.98 in Rinteln gegen 13.30 Uhr an dem linken Ufer der Weser, Kilometer 164,200, mit 2 Handangeln die Fischerei ausgeübt und in einem dreieinhalb bis vier Meter langen und im Durchmesser ca. 50 cm breiten Setzkescher, der sich in der Weser befunden habe, mehrere lebende Fische gehältert habe, während der Angeklagte H. gleichfalls am 23.05.98 in Rinteln an der Weser, Kilometer 164,200, mit 2 Handangeln die Fischerei ausgeübt und in einem Setzkescher, der sich in der Weser gelegen habe, 13 bereits gefangene, jedoch nicht abgetötete Rotfedern gehältert habe.
Die Staatsanwaltschaft Bückeburg ist aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 1990 (301 OWi/905 Js 919/89) und des OLG Düsseldorf vom 20. April 1995 (5 Ss 171/92 - 59/92 I) davon ausgegangen, dass die Hälterung von Fischen in Setzkeschern Tierquälerei im Sinne des § 17 Nr. 2b Tierschutzgesetz ist.
Die Angeklagten waren aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme war nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass bei der korrekten und waagrechten An- wendung eines dreieinhalb bis vier Meter langen und im Durchmesser ca. 50 cm breiten Setzkeschers aus Nylongewebe, der ordnungsgemäß verspannt ist, den in der Weser potentiell zu angelnden Fischen, insbesondere Rotfedern, länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden.
Der Sachverständige Prof.Dr.Schreckenbach vom Institut für Binnenfischerei e.V. in Potsdam-Sacrow hat dazu überzeugend ausgeführt, die korrekte Anwendung eines Setzkeschers in der von den Angeklagten verwendetet Art erzeuge zwar erhebliche Stressreaktionen bei den Fischen, aber keine länger anhaltenden oder sich wieder- holenden Schmerzen oder Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2b oder 18 Abs.1 Nr.1 des Tierschutzgesetzes.
Einleitend hat er dazu erläutert, es bestünden unterschiedliche Auffassungen hinsicht- lich des Schmerzempfindens der Fische, nach dem derzeitigem Wissensstand müsse angenommen werden, dass der Schmerzsinn bei Fischen nur schwach ausgeprägt sei, insbesondere könne er nicht mit menschlichen Maßstäben gemessen werden. Die Leidensfähigkeit von Fischen sei unter Fachwissenschaftlern aber umstritten. In der Forschung bestünde eine Übereinstimmung, dass das Empfinden des Leidens bei Fischen eng mit dem Stresssyndrom verknüpft sei. Dieses Stresssyndrom sei bei Fischen durch verschiedene Parameter messbar. Der weitere Begriff der Schäden umfasse bei Fischen in der Regel eindeutig erkennbare äußerlich sichtbare Verletz- ungen oder Veränderungen von Haut, Flossen und Kiemen. Letztlich seien aber auch die mikroskopisch nachweisbaren Zell-, Gewebs- und Organschädigungen darunter zu verstehen, wie sie bei unbewältigtem chronischen Stress entstehen könnten. Der Sachverständige hat sich im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens zu Material und Methoden zur Untersuchung der Stressreaktionen der Fische auf das Hältern im Setz- kescher geäußert und zu der ergänzenden Untersuchungen im Hinblick auf den Einfluss von Wasserströmungen auf die Stressreaktionen von geangelten Rotfedern bei der Lebendhälterung im Setzkescher.
Der Sachkundige hat glaubhaft bekundet, im Rahmen der Untersuchung des Instituts für Binnenfischerei seien keine nachhaltigen Beeinträchtigungen festgestellt worden. Soweit in dem Gutachten des Prof. Klausewitz, das der Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 17.Oktober 1990 zugrunde gelegen habe, festgestellt sei, die Fische seien in den Versuchsreihen nachweisbar durch die Hälterung in den Setzkeschern beeinträchtigt worden, beruhe dies nach seiner Einschätzung auf einer in den damaligen Verhältnissen falschen Anwendung der Setzkescher. Ausweislich der Beschreibung der Methodik sei der Setzkescher in dem damaligen Verfahren an einem Boot hängend angebracht worden, dies sei jedoch erheblich fehlerhaft. Zum einen müsse das Netz horizontal verspannt werden, da dies die natürliche Schwimm- bewegung des Fisches sei, er mithin die Länge von dreieinhalb bis vier Metern nur aus- schöpfen könne, wenn das Netz horizontal verspannt sei, des Weiteren dürfe das Netz nicht an einem beweglichen Körper, wie z.B. an einem Boot befestigt werden, da dann durch die Bewegung des Bootes auch das Netz in Bewegung versetzt würde, wodurch tatsächlich mechanische Beschädigungen bei den Fischen entstünden. Wenn ein Setzkescher, wie in der damaligen Versuchsanordnung beschrieben, lediglich mit dem Bleigewicht ins Wasser gesenkt würde, bliebe dem Fisch aufgrund seiner natürlichen Schwimmbewegung lediglich ein Aktionsradius in der Größe des Durchmessers des Netzes, mithin von ca. 50 cm, dies sei bei einem Fisch von ca. 20 cm zweifellos zu wenig, der Fisch gerate dann in Panik, dadurch stoße er an die Seitenwände des Netzes, so dass die von dem damaligen Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen auftreten würden.
In einer Tiefe von eineinhalb bis zwei Metern sei die Sauerstoffversorgung der Fische auch nicht ausreichend, so dass die festgestellten Beeinträchtigungen der untersuchten Fische auch hierauf beruhen könnten. Soweit andere Untersuchungen in einem Aquarium durchgeführt worden seien, habe es sich bei den untersuchten Fischen um so genannte Futterfische für den Zoo gehandelt. Dies bedeute, dass die Fische zunächst aus ihrem Ursprungsgewässer in ein anderes Gewässer transportiert worden seien, zum Zwecke der Untersuchung seien sie dann wieder in ein neues Gewässer gesetzt worden, gerade der Wasserwechsel stelle aber eine erhebliche Belastung für einen Fisch dar, so dass die festgestellten Belastungen der Fische auch auf den Wasserwechsel beruhen könnten.
Der Sachverständige Prof. Schreckenback hat in seinem schriftlichen Gutachten die Methodik seiner Untersuchung und die festgestellten Parameter festgehalten. Das Gericht vermag hier keine Fehler der Untersuchungsmethode festzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Sachverständige hier bewusst falsche Angaben vor dem Gericht gemacht hat. Er hat insoweit eingeräumt, seine Darlegung auf dem derzeitigem Stand der Erkenntnisse vorgetragen zu haben. Aus wissenschaftlicher Sicht könne er lediglich seine Methodik genau darlegen und damit die Möglichkeit eröffnen, Denk- und Untersuchungsfehler zu erkennen. Der Sachverständige hat auch keinen Zweifel daran gelassen, dass es sich bei der Hälterung der Fische im Setzkescher um eine Stresssituation für den Fisch handelt, Stresssituationen seien aber für einen Fisch nicht grundsätzlich artfremd. Die durchgeführten Untersuchungen hätten gezeigt, dass die nach 4 Stunden angezeigten Parameter nach
8 Stunden teilweise bereits wieder abgesunken seien, dies zeige, dass der Fisch angemessen auf die veränderte Situation reagieren könne. Nach 1 bis 2 Tagen zeigten die zurückgesetzten Fische auch wieder Normalverhalten. In Anbetracht der langsameren Stoffwechselprozesse aufgrund der geringeren Körpertemperatur der Fische, handele es sich hier um Zeiträume, die noch nicht als länger andauernd im Sinne des Tierschutzgesetzes angesehen werden könnten.
Unter Berücksichtigung, dass der vom Tierschutzgesetz vernünftige Grund des Angelns hier in der Absicht des späteren Verzehrs vorlag, ergaben sich mithin erhebliche Zweifel, ob nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft tatsächlich noch die Feststellungen des Amtsgerichts Düsseldorf und des OLG Düsseldorf in den genannten Verfahren sachlich gerechtfertigt sind, die Angeklagten waren daher nach den Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" von dem Vorwurf der Tierquälerei durch das Hältern von Fischen in Setzkeschern freizusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO
Ausgefertigt
Rinteln, den 21.06.2000
gez. Justizangestellte
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ( Siegel )
des Amtgerichts