AW: Die Szene spielt verrückt!
Moin,
sicherlich ein spannendes Thema. Obwohl genauer Betrachtet viele einzelne spannende Themen. Um dem Thread ein wenig die (manchmal in Ansätzen vertretene - und nein ich meine keinen Schreiber konkret) Polemik und die "Biertisch"-Thesen zu nehmen, wäre es sinnig die verschiedenen Themen einmal isoliert zu betrachten. Allerdings fehlt dafür ein wenig die Zeit - zumindest mir. Hauptthemen in einer solchen Diskussion sind meist (hier wie anderswo und auch draußen in der echten Welt...) in weitestem Sinne und manchmal mehr, manchmal weniger ausgeprägt:
a) Szene b) Leistung c) Kommerz
Sowie übergeordnet in jedem dieser drei Teilbereiche d) die eigene Einstellung sowohl zu den Themen im speziellen als auch Angeln bzw. Karpfenangeln im allgemeinen.
Ob man sich selbst als Karpfenangler sieht oder definiert spielt hier keine Rolle, denn überraschender Weise haben auch viele Angler die eigentlich nichts mit dem Karpfenangeln am Hut haben, eine besonders elaborierte Einstellung zu diesem Themenkomplex.
Als "Karpfenangeln" sehe ich hier eben das gezielte Angeln auf Karpfen ohne weiter auf den Grad der Spezialisierung einzugehen. Wollte man versuchen dies weiter zu konkretisieren, so wäre man bereits am ersten Problempunkt angelangt: Ab wann ist man "spezialisiert"? Gibt es bestimmte Bedingungen die man erfüllen müsste um sich selbst als "Karpfenangler" zu sehen oder sogar sich als Karpfenangler zu definieren? Ein wenig einfacher wäre es den "Specimen Hunter" zu definieren (früher hätte man hier über die Anzahl an Aufnähern mit SHG und ähnlichen Ausdrücken auf dem BW-Parker oder wahlweise der Weste gereicht
), aber darum geht es hier ja nicht, sondern es geht um die Szene. Uuuh, die SZENE! Wer jetzt denkt, dass ganze würde zu weit weg führen vom Eingangspost, den muss ich leider enttäuschen. Denn mit einer Wahrscheinlichkeit von 86,93% landet jede Diskussion und 98,56% jeder Grundsatzdiskussion im Bereich Karpfenangeln früher oder später bei "der Szene". In den meisten Fällen wird das Wort synonym für "die Anderen" benutzt. Man selbst hat natürlich nichts mit der Szene zu tun! Das habe ich auch lange Zeit so gesehen, aber gerade Gespräche und Mails mit "Szene-Leuten" haben mich zu meiner heutigen Einstellung zu "der Szene" gebracht. By the way, jetzt ist natürlich klar, dass ich ein besserer Angler als die meisten von euch bin, da ich berühmte Angler (mal mehr mal weniger) entfernt kenne! Die Definition wer oder was die Szene ist ist in so fern wichtig, als das sie uns die Basis liefert wer denn nun überhaupt verrückt spielt, wer Karpfen die Flossen abschneidet oder wer sich mit fremden Fischen schmückt! In fast allen Fällen heißt es nämlich, dass "die Karpfenangler" das machen und im Prinzip nur in der Diskussion um (/obwohl falsches Wort! Besser: Beim Reden über...) Meik tatsächlich mal Namen genannt und Personen direkt benannt werden. Ok, bei einigen anderen mittlerweile auch. Aber gerade in Diskussionen außerhalb der noch nicht näher definierten Szene, sind es oftmals ganz unspezifisch "die Karpfenangler".
Somit dürfte eigentlich auch recht klar sein wer denn nun diese mysteriöse "Szene" ist, oder? Jeder von uns der als Karpfenangler wahr genommen wird ist - unabhängig ob ihm oder ihr das behagt oder nicht - Teil der Szene. Glaubst du nicht? Der Mehrheit von Nicht-Karpfenanglern ist es herzlich egal wie viele Nächte du im Jahr fischt, was dein PB ist, ob du eher Großfischangler oder biertrinkender Dauercamper bist - oder beides. Es ist dem Vorstand in dem Verein in den keine Karpfenangler mehr aufgenommen werden total egal ob du noch nie Müll liegen gelassen hast, keine Boilies benutzt, Nachts nicht schläfst, die gefangenen Fische alle "ordnungsgemäß" verwertest und seit Jahren aktiv in der Jugendarbeit bist. Bist du einmal als Karpfenangler eingestuft, dann hat es sich mit dem Vereinsbeitritt und erstmal treffen - zumindest im Auge des Betrachters - alle Vorurteile über's Karpfenangeln auf dich zu! Da nützt es herzlich wenig wenn du nie Boilies von bestimmten Firmen gefischt hast, Rekordfisch-Fangbilder verurteilst...usw.
Ich denke es ist hinreichend klar worauf ich hinaus will: DU BIST DIE SZENE! Und je eher wir alle das begreifen, um so besser! Denn dann fangen "wir" vielleicht endlich mal an was gegen "unser" Bild in der Öffentlichkeit zu tun. Dann hört es vielleicht auch irgendwann auf, dass in einer Diskussion irgendjemand rein kommt und weiß, dass alle Karpfenangler Fische umsetzen, Fische nur "aussitzen", Müll machen, und und und...
Natürlich soll das nun nicht heißen, dass "die Karpfenangler" eine homogene Gruppe sind - weit gefehlt! Es soll aber heißen, dass es an uns liegt wie "wir" als Gruppe gesehen werden. Wenn es also heißt "Die Szene spielt verrückt" heißt das nichts anderes als "Wir spielen verrückt...". Denn wenn "die Karpfenangler" das [hier wahlweise Rekordfische, in China produziertes Tackle zu kleinen Preisen, Verbote, konservierte Boilies, usw. einsetzten] nicht sehen wollten, dann würden die [Boilie-Firmen, Tackle-Firmen, Zeitschriften...] das nicht machen. Konkretes Beispiel: Wenn keiner Boilies kaufen würde, die mit dicken Fischen beworben werden, dann würden diese Hersteller auch ganz schnell pleite gehen...
Die Frage nach Leistung im Karpfenangeln ist nicht weniger spannend und genauso entscheidend bei der Diskussion: Wer oder was ist ein guter Angler? Und vor allem: Warum? Eine Studie bezüglich der Leistungsmotivation bei Anglern wäre bestimmt interessant. Genau wie die Frage nach den Bezugsnormen - orientieren sich Karpfenangler wirklich an der Sozialnorm (X fängt größere Fische als ich) oder eher an der Individualnorm (Der Fisch ist größer/kleiner als mein letzter/bester) oder zählt alleine die Sachnorm (Das ist nicht der größte Karpfen). Und welche Sach- bzw. Sozialnorm überhaupt? Der größte Karpfen in diesem Gewässer, meiner Region, Bundesland? Und überhaupt: Ist Größe der entscheidende Faktor? Was sollten die Umstände des Fanges zählen?
All diese Fragen führen letzten Endes zu der Einstellung die jeder einzelne von uns zum Karpfenangeln hat und lässt sich nicht verallgemeinern. Das sollten wir uns jeder Zeit klar machen!
Meiner Meinung nach lässt sich die Frage nach Leistung im Karpfenangeln, also ob jemand ein guter Angler ist, ganz einfach zusammen fassen: Derjenige der Spaß an dem hat was er tut, ist in meinen Augen ein guter Angler. Ende. Ganz einfach, denn Angeln ist ein Hobby, eine Freizeitbeschäftigung, kurzum: SPASS. Sollte es zumindest sein. Ist es das für dich nicht, dann lass es einfach. Mittlerweile muss man leider hinzufügen: "ohne andere damit einzuschränken oder zu schaden". Sollte eigentlich selbstverständlich sein, hat aber in den letzten Jahren etwas gelitten.
Soll das nun heißen, dass diejenigen die am meisten Spaß haben, auch Testangler werden sollten? Naja, das hängt wohl davon ab was man unter Testangler versteht. Aber das führt hier wohl zu weit weg (und würde zu viel Zeit kosten...), allerdings gibt es Firmen deren Testangler wohl nicht "die Besten" in den Augen vieler sind - allerdings haben die Jungs trotzdem eine Menge Spaß...
Bleibt die Frage nach dem Kommerz. Da der Magen knurrt und ich noch kurz (versprochen!) zu Mary bzw. der konkreten Frage etwas schreiben wollte, fasse ich mich kurz: Wenn es keiner sehen wollte, würde es keiner abdrucken oder veröffentlichen. Da es aber viele sehen wollen, sogar sehr viele, lässt es sich hervorragend mit Werbung verbinden. Solange das so ist, wird sich auch nichts ändern. Das soll nun aber nicht heißen, dass ich nicht gerne solche Bilder sehe, sondern nur das der Markt sich eben über Angebot und Nachfrage regelt. Ist ja auch schon oft genug gesagt worden, nur sollte man auch die positiven Seiten von Zeit zu Zeit sehen: Ich für meinen Teil sehe mir gerne solche Fangmeldungen an - allerdings führt das nicht dazu das ich ständig los renne und neue Produkte kaufe
Noch schnell zu Mary konkret: Wow, was ein Fisch! Das MP den Fisch nun in so kurzer Zeit zwei Mal gefangen hat, ist sicherlich kein Zeichen davon, dass der Fisch besonders schwer zu fangen wäre. Nicht falsch verstehen! Das soll nicht ansatzweise heißen, das MP ein schlechter Angler sei oder so etwas! Auf der anderen Seite gibt es nämlich genug Leute die sich an dem Fisch/See die Zähne ausbeissen. Normalerweise kommt dann oft das Argument: Jaaa, aber der hat ja auch Zeit! Das wird auch gerne auf sämtliche Team-/Test-/Promi-fischer etc. übertragen, ist aber totaler Unsinn. Wir haben alle die gleiche Zeit, die Frage ist nur wie viel sind wir bereit davon in unser Hobby zu stecken? Keine Ahnung wie viel Zeit Markus in seine Firma stecken muss, aber sicherlich nicht wenig. Daher will ich das ein wenig verallgemeinern: Viele Test und vermeintliche "Profis" (wer kann in Deutschland, denn wirklich vom Angeln alleine leben?) verbringen unheimlich viel Zeit am Wasser, das ist richtig. Aber auch die haben nur 24 Stunden am Tag und müssen in den aller, aller, allermeisten Fällen "nebenbei" noch Arbeiten. Wie viel man vom Leben hat wenn man mehrmals die Woche von der Arbeit zum Angeln und vom Angeln zur Arbeit fährt, kann sich ja jeder selber denken. "Können" kann das jeder von uns, bleibt die Frage ob wir auch die Motivation oder den Spaß daran hätten.
Bleibt also das Fazit: Es kommt nicht so sehr darauf an wie groß, wie schwer oder wie besonders ein Karpfen ist. Was wirklich wichtig ist, ist das man Spaß daran hat das zu tun was man tut und wie man es tut - ohne dabei jemand anderem zu Schaden. Und genau diese Einstellung sollten wir auch an die Einsteiger im (Karpfen-)angeln weiter geben: Es ist vollkommen egal wie schwer der Fisch ist oder ob du überhaupt einen Fisch fängst! Wichtig ist alleine: Genieße die Zeit am Wasser, denn sonst macht es keinen Sinn! Was man an dieser Zeit nun am meisten genießt bleibt jedem selbst überlassen und das sollten wir auch respektieren. Wenn Markus und andere also Spaß dran haben Mary und Joe zu fangen und Medienwirksam zu präsentieren, dann sollten wir das respektieren!
Und wenn uns etwas nicht passt, dann sollten wir aufhören mit dem Finger auf die Szene zu zeigen, sondern anfangen uns klar zu werden, dass wir alle Teil der Szene sind und es an uns liegt das zu ändern. Sei es durch den Boykott bestimmter Shows, Messen, Marken oder einfach dadurch, dass wir unsere positive Einstellung zu unserem Hobby an die Einsteiger weiter geben und "der Masse" zeigen, dass nicht die teuersten Geräte und die dicksten Fisch wichtig sind, sondern die beste Zeit am Wasser...
Munter bleiben,
Jan
PS: Erlösen? Sicherlich moralisch wie auch wissenschaftlich eine schwere Frage. Ich gehe davon aus, dass wir bei Fischen im Bereich der klassischen bzw. operanten Konditionierung sind. Die kurze Version lautet daher: Wenn der Nutzen aus dem Konsum von Boilies nicht höher als die Bestrafung wäre, so würden diese Fische sehr vereinfacht gesagt, nicht mehr Boilies fressen. Ja, in einigen Gewässern mögen die Fische auf das Zufutter angewiesen sein, in den allermeisten Gewässern sind sie es bestimmt nicht. Daher ist, in meinen Augen, das "erlösen" zumindest fraglich. Aber wie alles im Leben eine Frage der persönlichen Einstellung.