Angelbericht Nordnorwegen: Sarnes Teil III

Avetfan

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Dienstag, 24. Mai 2004 - Der vierte Angeltag
Der Tagesbeginn verlief wie immer, frühstücken, aufräumen, Fisch verpacken, anziehen und losfahren. Nur der Toast schmeckte heute deutlich besser!
Draußen war es fast windstill, der Himmel bedeckt und der kleine Hakon lag mit seiner Wetterprognose richtig. Damit war klar, dass es heute raus aufs Plateau ging. Am Samstag hatten wir auf der Fahrt dorthin immer wieder Zwischenstops eingelegt und die Fahrzeit verging wie im Fluge. Diesmal ging es aber Non-Stop und die zwei Stunden schienen überhaupt nicht zu vergehen. Während der Fahrt wurde diskutiert, ob wir es überhaupt schaffen würden. Zu diesem Zeitpunkt verstand ich diese Diskussion überhaupt nicht, denn schließlich war es fast Windstill und es gab auch fast keine Wellen. Als wir ca. eine Stunde gefahren waren, wurde auch mir klar was Anlass zur Sorge gab. Außerdem lernte ich nun den Unterschied zwischen Wellengang und Dünung kennen.
Da wir dicht unter Land fuhren, waren wir stets geschützt. Als wir aber um die erste große Landspitze fuhren, nahm die Dünung schon spürbar zu. Das steigerte sich dann, je weiter wir in Richtung offene See fuhren. So hohe Dünung/Wellen hatte ich bis dato noch nie gesehen. Die erfahrenen Norwegenfahrer blickten aber immer noch optimistisch drein, da ja die Dünung so lang gezogen wäre. Naja, also fuhren wir immer weiter und als wir dann die letzte Landspitze sehen konnten, war eigentlich klar, dass ein Angeln unmöglich war. Zu diesem Zeitpunkt musste man sich schon gehörig festhalten oder am besten sitzen. Ich war heilfroh, als wir endlich umkehrten, um es woanders zu versuchen. Aber wo sollten wir nun angeln? Zurückfahren, um im Sund zu angeln, hätte über drei Stunden Fahrzeit bedeutet. Dazu hatte keiner Lust. Schließlich waren wir zum Angeln hier her gekommen und nicht zum Boot fahren. Während der Anfahrt zum Plateau sind mir vermehrt Netze aufgefallen, die unmittelbar am Land festgemacht wurden. Sicher waren auch Krabbenkörbe dabei oder Langleinen, aber sie waren nunmal vermehrt da, wo am Samstag und auch später keine waren. Also wurde mein Vorschlag beherzigt, es mal sehr dicht unter Land in der Nähe der Netze zu versuchen. Dazu fuhren wir ca. eine halbe Stunde oder zwei Landspitzen weiter zurück und wir waren dort auch ausreichend geschützt. Obwohl die immer noch hohe Dünung uns gegen die Felsen zu drücken schien, drifteten wir ziemlich parallel immer an der Küste entlang. Wir fingen Köhler, Schellfische, Steinbeißer und einige wenige Dorsche. Die Schellfische sind ebenfalls hervorragende Kämpfer an der Angel und sie machten richtig Spaß. Leider musste man sie sofort nach dem Fangen ausnehmen, damit das Fleisch nicht verdirbt. Dadurch konnte man nicht so viele fangen, denn sie traten immer mal wieder in Schwärmen auf. Hatte man einen gefangen und musste ihn versorgen, war meistens der Schwarm wieder weg. Kalle versuchte es derweil mit seiner Schleppangel, um einen Heilbutt zu fangen, aber es blieb ihm verwehrt. Dafür fing er sehr gute Steinbeißer und es machte Spaß ihm zuzusehen, denn man konnte den Anbiss sehr gut verfolgen. So ging es eine ganze Weile, bis wir uns entschlossen, es mal in der nächsten kleinen Bucht zu versuchen. Wobei wir eigentlich darauf spekulierten, weitere Heilbutts zu fangen, denn wir befanden uns in der Nähe der Stelle, an der ich meinen Heilbutt gefangen habe und auch Rocky, Gerd und Billy kleinere ins Boot holen konnten.
An Land konnten wir etliche Rentiere beim Fressen beobachten und es ist wirklich erstaunlich, wie geländegängig diese Tiere sind, denn sie erklommen steilste Felswände mühelos.
In der kleinen Bucht angekommen, entdeckten wir auch hier ausgelegte Netze, was den Fangerfolg schon fast garantierte. Auch das Echolot signalisierte reichlich Fisch und zügig waren alle unsere Angeln draußen. Wir beangelten Tiefen ab 30 bis 60 Meter und fingen Seelachs, Schellfische und ab und an einen Steinbeißer. Je tiefer wir kamen, desto öfter kamen auch Dorsche nach oben, die hier und da schon um die 20 Pfund schwer waren. Kurioserweise spielten an diesem Tag erstmalig und einmalig die Pilkerfarben eine Rolle. Alle Dorsche wurden auf blau-weiß-roten Pilkern gefangen, ich selbst musste mir einen von Detlef leihen und sofort klappte es wieder hervorragend.
Zwischenzeitlich hatte es kräftig angefangen zu regnen, was uns aber nicht vom Angeln abhielt, denn die Fische bissen trotzdem. Obwohl es ringsum alles grau in grau lag, war der Regen nach nur 10 Minuten wieder vorbei und es sollte auch der letzte Regen gewesen sein, den wir in dieser Woche hatten.
Die nächsten Driften brachten alle samt Fisch und Kalle kam dann auch noch zu einem besonderen Erfolg, den ihm auch keiner mehr im Laufe der Woche streitig machen konnte. Wieder mal zog er einen Fisch nach oben und als er den Fisch erkennen konnte hieß es dann: "Heilbutt, ich habe meinen allerersten Heilbutt gefangen, aber es ist nur ein kleiner." Alle freuten sich mit ihm, aber was war das? Bei näherer Betrachtung sah dieser Heilbutt aber etwas anders aus, als die, die wir zuvor gefangen hatten. Welch ein Wunder, denn der Heilbutt war nämlich eine Scholle. Kalle war die Enttäuschung anzumerken aber er ließ den Kopf nicht hängen.
Gegen 18.30 Uhr begaben wir uns auf die Heimreise.
Am Vorabend hatte Kalle angekündigt, dass er kocht und es sollte eine Fischpfanne mit Nudeln geben. Das klang verheißungsvoll, aber wenn er so kocht wie er toastet, hatte ich ernsthafte Bedenken. Somit hatte ich an diesem Tag dienstfrei und ich nutzte die Gelegenheit, um als erster zu duschen. Anschließend ging ich dann Kalle beim Kochen etwas zur Hand, aber meine Hilfe wurde eigentlich nicht gebraucht. Ich staunte nicht schlecht, denn Kalle hatte alles im Griff und entpuppte sich als hervorragender Koch.

Das Rezept war denkbar einfach:
Festkochenden Fisch, wie z.B. Steinbeißer, Seelachs und eine Scholle (dank Kalle), würzen, ziehen lassen und dann braten. Den gebratenen Fisch aus der Pfanne nehmen und den Sud mit etwas Weißwein aufkochen lassen. Anschließend zu dem Sud eine italienische Pastasoße geben und gut verrühren. Zum Schluss werden die gebratenen Fischwürfel zugegeben und alles nochmals bei geringer Wärmezufuhr aufgekocht. Fertig! Dazu gab es dann Nudeln - es schmeckte ausgezeichnet.
Eines war für mich sofort klar - das probierst du unbedingt zu Hause.

Gut gestärkt machte ich mich dann am späten Abend zu einem Spaziergang auf, um mal wieder auf andere Gedanken zu kommen.
Mittwoch, 25. Mai 2004 - Der fünfte Angeltag
Ich war mal wieder sehr zeitig wach, so gegen 06.30 Uhr. Als ich so aus dem Fenster sah, staunte ich nicht schlecht. Eine Herde Rentiere graste direkt am Haus. Leider hatte ich meinen Fotoapparat nicht zur Hand (er lag auf dem Boot) und konnte diesen Augenblick nicht festhalten. Schade, zumal ich schon bei den Elchen Pech hatte.
Das Wetter war optimal, denn es war nun völlig windstill. Das Wasser war spiegelglatt, nur noch die Restdünung vom Wind der Vortage schwappte ans Ufer. Somit stand fest, dass es nun endlich zum Plateau gehen konnte und wir Jagd auf die richtig großen Fische machten.
Zum Frühstück gab es mal wieder lecker Toast, Ei, Kaffee usw., wie jeden Tag. Danach das übliche Prozedere, nur gab es Probleme mit dem Einschweißen des Fisches, denn das Einschweißgerät war laufend überhitzt. So kamen wir an diesem vorletzten Angeltag sehr spät los, was aber nicht weiter schlimm war, denn wir wollten erst mit der Flut auf dem Plateau sein. Dadurch hatten wir ausreichend Zeit. Wir fuhren erst gegen 10.00 Uhr ab. Um die zwei Stunden Fahrt etwas erträglicher zu machen, legten wir hin und wieder eine Pause ein. Diese "Pausen" dienten natürlich zum Angeln. An diesem Tag nutzte ich eine etwas kürzere Rute von Detlef. Da meine Angel einen sehr langen Griff hatte, rutschte sie mir häufig aus dem Kampfgurt. Oftmals dann, wenn die etwas größeren Fische angebissen hatten. Also versuchte ich mein Glück mit einer komplett geborgten Montage. Lediglich den Pilker konnte ich mein eigen nennen.
Wie jeden Tag fingen wir Fisch, zwar nicht sehr viel, aber alle gängigen Arten. Da wir nicht zielgerichtet Fisch suchten, sondern eigentlich nur hier und da anhielten, konnte man auch nicht mehr erwarten. Trotzdem gelang Detlef noch ein toller Fang. Er probierte es mal wieder mit Fischfetzen als Ergänzung an seinem Pilker, als ihm ein kapitaler Fisch an den Haken ging. Dank seiner guten Rolle konnte er es sich wieder bequem machen und den Fisch einfach hochdrehen. Für mich als Zuschauer, denn ich hatte mich zum Gaffen bereit gemacht, war auch an der Rutenspitze nicht zu erkennen, ob es sich um einen wirklich großen Fisch handelte. Aber Detlef hatte gleich nach dem Anbiss, nach einem Gaff verlangt und einen guten Steinbeißer angekündigt. Da ich gerade selbst nicht geangelt habe - ich wollte meine Kräfte sparen (mir reichten ehrlich gesagt die Anstrengungen der Vortage), half ich Detlef. Und tatsächlich handelte es sich um einen Steinbeißer der größeren Sorte. Er wog etwas über 16 Pfund und hatte einen riesigen Kopf. Das ohnehin schon furchteinflößende Aussehen, wurde durch unheimlich große Fangzähne verstärkt. Aufgrund der Größe, brauchte es auch eine Weile, um den Fisch ruhig zu stellen und viele gezielte Schläge auf den Hinterkopf waren nötig. Dieser Steinbeißer wurde auch nicht mehr überboten. Als Detlef aber von seinem 28-Pfund schweren Steinbeißer erzählte, den er bei seinem allersten Norwegenurlaub gefangen hatte, blieb mir die Spucke weg. Der bloße Gedanke an einen fast doppelt so großen Fisch...um Gottes Willen, da muss man wohl mehr als nur um seine Finger fürchten. Steinbeißer haben einen unglaublich kräftigen Kiefer und tragen ihren Namen nicht umsonst, denn sie ernähren sich unter anderem von Krabben, Muscheln und Fischen. Immer wieder war zu beobachten, dass die Steinbeißer im Boot nach allem schnappten, was sich in der Nähe ihres Mauls befand, um sich darin festzubeißen. Deshalb war auch äußerste Vorsicht geboten, insbesondere wenn man den Haken entfernte. Meine mitgebrachte Zange erwies sich dafür als ausgesprochen hilfreich.
Das Vorhersagen der Fische war im Grunde genommen nicht weiter schwierig, da sich die Fische im Drill sehr unterschiedlich verhielten. Lediglich bei Seelachsen und Schellfischen gab es eigentlich keinen Unterschied. Während sich die Seelachse und Schellfische mit heftigen Fluchten in alle Richtungen bis an die Oberfläche wehrten, ähnelte ein Steinbeißer einem nassen Sack. Die Gegenwehr beschränkte sich auf ein weit aufgerissenes Maul und der Körper war zu einem "U" geformt. Dadurch ließen sich die Fische ausgesprochen schwer hochkurbeln. Bei den Dorschen gab es je nach Größe Unterschiede, je kleiner, um so früher gaben sie auf. Sobald ein Dorsch angebissen hatte, gab es eine ziemlich starke Gegenwehr und man musste eigentlich nur wenige Meter Schnur einholen bzw. abwarten und gegenhalten, bis der Kampf zu Gunsten des Anglers entschieden war. Bei den richtig Großen konnte das Abwarten schon mal länger dauern. In der Regel nahmen solche Fische auch etwas Schnur von der Rolle. Sobald man aber Schnur gewann, beschränkte sich der Drill allein auf das Gewicht der Fische, was bei einem 20-Pfünder und mehr regelrechte Schwerstarbeit war. Wie ein besserer Heilbutt kämpft konnte nur ich unterscheiden, denn alle anderen fingen nur sehr kleine. Der Drill ist eigentlich identisch mit einem Dorschdrill auf den ersten 10 Metern, nur mit dem Unterschied, dass der Heilbutt bis zur Wasseroberfläche Kraft hat und sogar im Boot noch keine Ruhe gibt.
Der Vollständigkeit halber muss ich noch die Schollen anführen, aber dazu kann nur Kalle Angaben machen...

Am frühen Nachmittag setzten wir unsere Anfahrt auf das Plateau fort. Auf dem Weg dahin hatten wir auch noch Gelegenheit, den ansässigen Fischern bei der Arbeit zuzusehen. Natürlich ließen wir uns das nicht entgehen, zumal die Fischer gerade dabei waren, das Schleppnetz an Bord zu holen. Gespannt verfolgten wir, wie Meter für Meter das Netz über eine riesige Winde eingeholt wurde. Dazu fuhren wir relativ dicht heran und umkreisten das Fischerboot mehrmals. Den Fischern war anzumerken, dass sie von unserer Anwesenheit nicht begeistert waren, schon gar nicht dass sie auch noch von mir gefilmt wurden. Vielleicht haben sie uns auch für irgendwelche Greenpeaceaktivisten gehalten - aber wir waren "nur" Angler, die unheimlich gespannt waren, wieviel Fisch dort im Netz zappelte. Es dauerte dann fast eine halbe Stunde bis wir den Fangerfolg begutachten konnten und wir waren überrascht, denn alle hätten mehr Fisch erwartet. Zwar war der Sack am Ende des Netzes gefüllt, aber höchstens zur Hälfte. Soweit wir es erkennen konnten, handelte es sich fast ausschließlich um Seelachs. Lediglich einen sehr großen Dorsch konnte man erkennen. Das gab Grund zu der Annahme, dass die Fischer gezielt auf Seelachs aus waren, was uns Hakon hinterher auch bestätigte. Außerdem erfuhren wir dann auch von Hakon, warum die Seelachse hier selten groß werden. Zum einen kommen die richtig großen Seelachse erst im Sommer vor das Nordkap, zum anderen stellt der ganzjährige Seelachs, der dort in Unmengen vorkommt, eine wichtige Einnahmequelle der Fischer dar, wenn sie ihre Fangquoten für Dorsch schon erfüllt haben. So kommt es, das die Fischer natürlich einen Großteil der Lachse fangen, sobald diese das Mindestmaß erreicht haben. Als logische Folge haben die Seelachse nicht die Möglichkeit ihre Endgröße zu erreichen. Das ist zwar für uns Angler schade, denn wenn man bedenkt, mit welcher Kraft und Ausdauer die Seelachse von 50 bis 60 cm mit einem Gewicht bis 6 Pfund kämpfen. Kaum vorstellbar, das metrische Seelachse jenseits der 40 Pfund-Marke gefangen werden können. Führt man sich diesen Größenvergleich vor Augen und potenziert dementsprechend die Gegenwehr dieser Fische an der Angel, so muss das einfach fantastisch sein.

Gegen 14:30 Uhr erreichten wir nun endlich unsere Angelstelle - das vielzitierte Plateau - und wir waren alle hochmotiviert, zu Ruhmestaten bereit. Das Wetter war einfach genial. Es herrschte beinahe Windstille und die Dünung glich einem Ententeich. Meine Hochstimmung wurde noch verstärkt, denn es war nicht nur der fünfte, sondern auch der vorletzte Angeltag und schon bald war ich bei meiner Familie, die mich sicherlich sehnsüchtig erwartete.

Kaum das wir am Rand des Plateaus waren, signalisierte das Echolot Unmengen an Fisch. Wie wir bereits vorher wussten, konnte es sich nur um Köhler handeln. Ich nutze meine Erfahrungen vom Samstag und montierte meinen größten Gummimak am oberen Sprengring eines 350 g Rohrpilkers, der eigentlich zu schwer war. Aber nur so hatte man die Chance, den Köhlerschwarm zu durchbrechen. Zumindest klappte es am ersten Plateautag auf diese Art und Weise, den Grund zu erreichen, ohne das vorher ein Seelachs den Pilker aufhielt. Und tatsächlich, zwar gelang es einigen Seelachsen unterwegs einzusteigen, aber nicht mehr so oft. Endlich am Grund angekommen, dauerte es in der Regel nicht mehr sehr lange bis ein Dorsch zuschlug. Jedes Herablassen machte allein schon Spaß, denn man merkte jede Attacke der Köhler in der Rutenspitze durch heftige Schläge. Sobald man die Schnur zwischen die Finger nahm, um die Fahrt des Pilkers zu verlangsamen, hing sofort ein Seelachs fest. Manchmal hatte man Glück und die Köhler konnten sich selbst vom Haken befreien. Ansonsten hieß es dann, den Köhler schnell nach oben bringen und einen neuen Versuch starten. Ab und an versuchte ich den so genannten Dorsch-Anker - dazu lässt man den Pilker nebst Köhler tiefer sinken und versucht auf diese Weise unter den Schwarm zu kommen, aber dazu waren die Seelachse eigentlich zu groß und stark, denn statt nach unten, zogen sie zur Seite. Das wiederum sorgte unter Umständen für Ärger, denn dann war ein Schnursalat mit seinem Nachbarn möglich. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass auf solch große Köhler noch ein Dorsch passt. Irrtum, wie es sich später noch zeigte.
Auch Kalle probierte es mit meiner Montageart und siehe da, bei ihm stellten sich mehr und mehr Dorsche ein, die dann schon stattliche Maße erreichten. Sogar ein richtig großer Dorsch ging ihm an den Haken. Der Dorsch wehrte sich heftig und alles sah nach einem schweren Drill aus. Zufällig hatten die meisten gerade die Angeln oben, als der Fisch noch heftiger zu ziehen begann. Kalle hatte wohl seine Bremse zu fest eingestellt, denn er konnte den Fisch nicht halten, da die Schnur nicht abrollte. Also ging er von der Bootsspitze los in Richtung Heck, um Schnurbruch zu vermeiden. Als er am Heck angekommen war zog der Fisch kräftig weiter und "zack" weg war er, einfach ausgeschlitzt. Das ganze ging so schnell, dass Kalle keine Chance hatte, die Schiebebremse etwas zu lösen. Schade, das muss ein wirklich toller Fisch gewesen sein, wenn nicht sogar der Fisch seines Lebens.
Dafür machte es Rocky nur wenige Minuten später besser. Zwar hatte er bereits an anderen Tagen große Fische vorausgesagt, aber diese vermeintlich großen Fische oft in der Seite gehakt. Das kam durch seine sehr starken Pumpbewegungen, mit denen er das Wasser buchstäblich durchpflügte. Jetzt versuchte er es auch mit nur ganz seichten Pilkbewegungen, ebenso wie ich es eigentlich schon die ganze Woche praktizierte. Das hatte ich auch im Internet gelesen, dass die ganz großen Dorsche eher auf langsam geführte Pilker gehen, da sie aufgrund ihrer Größe nicht mehr so schnell schwimmen können. Ein Tip, der im Laufe des Angeltages sehr vielen großen Dorschen das Leben kostete.
Rocky´s Angel bog sich bis an die Belastungsgrenze und unter der Last zog ihm der Fisch immer wieder Schnur von der Rolle. Beim Pumpen musste er seinen ganzen Körper einsetzen und ihm war die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Zum filmen hatte ich in diesem Augenblick keine Zeit, denn wenn solche großen Fisch da waren, war sicherlich auch einer für mich dabei. Rocky kämpfte nach wie vor und wir drifteten dabei über 70 Meter tiefen Wasser. Stück für Stück holte er den Fisch nach oben und die Spannung stieg mit jedem gewonnenen Meter Schnur. Detlef machte sich zum Gaffen bereit. Dann kam er, der bis dahin größte Dorsch wurde an Bord gezogen. Das Wiegen ergab etwas mehr als 30 Pfund bei 122 cm Länge. Damit reichte er nicht ganz an Detlefs 36-Pfünder vom Samstag heran, aber es war für Rocky der erste 30-Pfünder seines Lebens.

Am späten Nachmittag stand ich gerade neben Rocky, als wir beide dabei waren je einen Köhler hochzudrehen. Plötzlich krümmte sich Rockys Rute und Schnur wurde ihm von der Rolle gerissen. Ein großer Fisch hatte seinen 5-Pfund-Köhler als Beute ausgewählt und diesen attackiert. Wahnsinn, wie der abzog! Aber scheinbar hat er den Köhler nicht beim ersten Versuch schlucken können, so dass der Drilling nicht fassen konnte. Durch die ungeheure Kraft wurde der Köhler letztendlich vom Haken "abgebissen" und so schnell wie der Anbiss erfolgte, war der Fisch auch wieder weg. Rocky fehlten zunächst die Worte, aber ich hatte den ganzen Ablauf beobachtet und fragte ihn, ob das gerade ein Fisch gewesen ist. Er bestätigte dann meine Vermutung, das auf seinen ersten Fisch ein weiterer gebissen und mit unbändiger Kraft gezogen hatte. Was war das wohl gewesen - ein großer Dorsch oder gar ein Heilbutt? Wir werden es nie erfahren. Fest steht aber, dass es ein immens großer Fisch gewesen sein muss.
Da es nun wieder tiefer wurde, setzten wir um. Darum kümmerte ich mich diesmal mit Kalle. Wir betrachteten unsere letzten beiden Driften nochmals auf dem Display des JPS-Gerätes, auf dem man den genauen Verlauf erkennen konnte. Auffällig war, das die großen Fische stets zwischen 60 und 70 Metern Tiefe gefangen wurden und sich eine Markierung (Nr. 41 - mit dem Gerät lassen Positionen, durch das Setzen von Punkten markieren) an dieser Stelle auf dem Display befand. Vorher fingen wir im flacheren Wasser in der Regel nur die üblichen Köhler und vereinzelte Dorsche, die selten 10 bis 15 Pfund erreichten. Nun war es aber so, das die Drift sehr lange über 35 bis 50 Meter andauerte, bevor es relativ kurz über 70 Meter auf weit über 150 Meter abfiel. Das bedeutete, dass relativ wenig Zeit verblieb, die großen Dorsche zu erwischen. Nach kurzer Absprache mit Kalle einigten wir uns auf eine andere Stelle an der wir mit der Drift beginnen wollten. Ziel war es natürlich möglichst lange über 70 Metern zu driften. Nach dem Halt dauerte es immer etwas, bis das Boot in eine Richtung zu driften begann. Da die Strömung stets wechselte, war es aus meiner Sicht mehr oder weniger ein Glücksspiel, wie jede einzelne Drift verlief. Dieses mal hatten wir aber Glück, denn bereits beim zweiten Versuch drifteten wir genauso, wie Kalle und ich es uns erhofft hatten. Wir begannen bei 90 Metern und es wurde langsam flacher. Zunächst passierte nicht viel, denn wir waren noch nicht an die Stelle mit der Nr. 41 gelangt. Wie gehabt fingen wir Köhler und vereinzelt Schellfische. Kaum das wir in der Nähe der 70-Metermarke kamen, stellten sich die ersten Dorsche ein. Kurioserweise wurde es dann auch nicht mehr flacher oder tiefer. Ein Blick aufs Display bestätigte das, denn die Tiefenangaben auf dem Echolot zeigten auf dem Plateau bis 50 Meter und daneben bis 200 Meter an. Wir aber trieben genau an der Plateaukante entlang an der es kaum Köhler gab, aber um so mehr Dorsche. Scheinbar hielten sich die größeren Dorsche am Rand der Köhlerschwärme auf, direkt unterhalb der Schwärme die kleineren. Wir hatten nun das Glück nicht nur am Plateaurand entlang zu driften, sondern auch direkt am Rand des Köhlerschwarmes. Bingo! Das zahlte sich nun aus. Immer wieder kamen schwere Fische nach oben, die alle gegafft werden mussten. Unzählige 10 bis 20-Pfünder füllten nach und nach unsere Fischkiste und das Angeln war Schwerstarbeit, machte aber unheimlichen Spaß. Nur die Fische von dem Kaliber, wie Rocky einen gefangen hatte, blieben aus.
Sie waren da, das wussten wir, denn sowohl Detlef als auch Billy hatten erneut Pech. Wie am Samstag, als beide sehr große Fische verloren, schlitzten ihnen die großen Brocken aus.
Für mich stand nun fest, dass die Art und Weise des Drills und die Feinabstimmung der Bremse die Gründe sein mussten. Einer wie der andere drillten stets im Sitzen und legten dabei ihre Ruten auf die Reling. Dadurch konnten die Angeln nie richtig durchgebogen werden. Es wäre aus meiner Sicht zusätzlich nötig gewesen, die Bremse so weit zu lösen, das die Fische jederzeit Schnur nehmen konnten. Außerdem fehlte die Pumpbewegung, die zusätzlich die Rolle entlastet hätte. Aber jeder ist seines Glückes Schmied und deshalb behielt ich als "Neuling am Nordkap" meine Erkenntnisse für mich, in der Hoffnung es selbst besser zu machen, wenn sich die Gelegenheit bieten würde.
Mittlerweile war es bereits Abend, als ein mal mehr Rocky zur Höchstform auflief. Wieder hatte er einen schweren Fisch an der Angel. Diesmal hatte ich Zeit und Lust zu filmen, denn nach fast 8 Stunden Angeln, war das eine willkommene Pause. Den insgesamt 5-minütigen Drill filmte ich von Anfang an und die Bilder zeigen, welche Anstrengungen der Fisch Rocky abverlangte. Bei den Pumpbewegungen setzte Rocky seinen ganzen Körper ein, um den Fisch Stück für Stück nach oben zu ziehen. Seine Bremse schien gut eingestellt zu sein, denn sowohl bei den Fluchtversuchen des Fisches, als auch bei den Pumpbewegungen gab die Rolle die nötige Schnur frei. Dadurch wurde die Last, die sich am Drilling und am Fischmaul konzentriert, jeweils reduziert und die Möglichkeit des Ausschlitzen´s verringert.
Nachdem Rocky an diesem Tag seinen ersten 30-Pfünder anlanden konnte, schickte er sich nun an, seinen Rekord gleich noch zu verbessern. Und wie! Bis auf Kalle und Gerd, die noch weiter angelten, verfolgten Detlef, Billy und ich mit Spannung den Drill aus nächster Nähe. Und dann kam er endlich. Schon als nur der weiße Bauch im Wasser schimmerte, war klar, das dieser Dorsch mehr als 30-Pfund wiegen würde. An der Oberfläche angekommen hatten alle Gewissheit. Als Detlef das "Wasserschwein" sauber gegafft hatte, musste er den Fisch über die Bordwand hieven, womit er so seine Probleme hatte. Alle waren begeistert von diesem Riesen. Mit 125 cm war er zwar nur unwesentlich länger als Rockys erster Großfisch, dafür war er aber kugelrund und hatte einen sehr hohen Rücken. Auf der Waage wurden glatt 40 Pfund abgelesen. Im Nachhinein betrachtet denke ich aber, das er eigentlich schwerer gewesen sein muss, denn im direkten Vergleich mit dem 30-Pfünder, wirkte dieser hier deutlich schwerer. Außerdem ließ sich die Waage samt Fisch auf dem Boot kaum ruhig halten, was das Wiegeergebnis ebenfalls beeinträchtigte.
Gegen 20.30 Uhr war der vorletzte Angeltag für uns vorbei und alle waren ziemlich erschöpft. Da wir fast ausschließlich große Dorsche gefangen hatten, brauchten wir diese auch nicht filetieren, sondern nur auszunehmen. Lediglich die vielen Seelachse mussten versorgt werden. Die Seelachsfilets füllten fast eine ganze Fischkiste und ergaben ca. 50 kg feinstes Filet.
Zum Abendbrot, welches wir erst gegen Mitternacht einnehmen konnten, gab es einen ungarischen Gulascheintopf aus der Dose, der nach einem so anstrengenden und erlebnisreichen Angeltag vorzüglich schmeckte.
Da Detlef sich beim Heben der Fischkisten einen Hosenträger abgerissen hatte, konnte ich neben meinen Fertigkeiten in der Küche, auch den Umgang mit Nadel und Faden unter Beweis stellen, was mir auch gelang. Nach dem Duschen verschwand einer nach dem anderen im Bett, um für unseren letzten Angeltag gerüstet zu sein.
Als auch ich endlich im Bett lag, ließ ich den vergangenen Tag nochmals Revue passieren. Meine letzten Gedanken vor dem Einschlafen galten, wie immer, meiner Familie. Ich freute mich riesig auf das Wiedersehen und es ist erstaunlich, welchen Stellenwert eine eigene Familie einnehmen kann. In meinen Gedanken war ich immer bei ihnen. Kurz vor dem Einschlafen warf ich noch mal einen Blick in mein kleines Fotoalbum, bevor ich in einen kurzen aber tiefen Schlaf verfiel.
Als Detlef wieder zu schnarchen begann, wechselte ich die Stellung und zog auf die Schlafcouch im Wohnzimmer.
 
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