Tote Aale und der Kampf um die Wasserkraft

Pressemeldung vom Verband Hessischer Fischer e.V.

Betreiber von Wasserkraftanlagen beschweren sich gegen Mindestwassererlass der Hessischen Landesregierung, der nirgendwo von ihnen eingehalten wird.

In Hessen gibt es derzeit 624 Wasserkraftanlagen, durch deren Stauwehre und Wasserkraftanlagen eine Fülle von erheblichen ökologischen Problemen in diesen Fließgewässern auftreten.
Alle Gewässer sind heute mehr oder weniger eutroph weil einerseits die Kläranlagen nicht effektiv genug arbeiten, zusätzlich aus den Flächen permanent Nährstoffe eingeschwemmt und sich diese in den Stauhaltungen zwischen zwei Wehren am Gewässerboden und im Schlamm ablagern.

Durch die Wehre und Stauhaltungen ist das Fließkontinuum unterbrochen und die Fließgeschwindigkeit weit unter ca. 1m/s. Hierdurch kommt es in solchen „Fließgewässern“ durch Überdüngung im Frühjahr, bei noch klarem Wasser aus der vegetationslosen Winterzeit, zu einer massiven Braunalgenbildung. Diese treibt am Tag den Sauerstoffgehalt durch Assimilation der Algen auf fast 300% Übersättigung und nachts durch Dissimilation gegen Null am Morgen. Bei der Assimilation wird dem Wasser Kohlensäure entzogen, was den pH-Wert auf über pH10 erhöht. Dadurch wird dann auch noch harmloses im Wasser befindliches Ammonium zu 85% in hoch toxisches Ammoniak umgewandelt, was schon bei 0,02 mg/l fischtödlich ist! Wie viele Fische u.a. Wassertiere hier schon sterben ist nicht zu ermitteln und ist dem Wasserstau mit viel zu geringer Fließgeschwindigkeit geschuldet. Laut einem Gutachten von Prof. Grosch, Uni Gießen-Friedberg, gibt es bei einer Fließgeschwindigkeit von größer 0,3 m/s keine Algenbildung.

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96 kg Blankaale tot durch Rechen

Da beim Betrieb von Wasserkraftanlagen etwa 95% des Wasserabflusses in die Turbinen geführt wird, geraten mit diesem Hauptwasserstrom 80% der Jungfische der 0+-Generation (Jungfische im 1. Lj.) in den Sog und werden durch die Turbinen gesaugt und alle durch rapide Druckwechsel und/oder Kavitation getötet. Ebenso landen Fische aller Arten und Größen ebenso in den Sog und werden entweder in der Turbine schwer verletzt oder direkt getötet. Größere Fische bleiben vor dem Rechen hängen und vom Rechenreiniger zerdrückt. Ebenso werden pro Turbine ca. 25 bis 35% der abwandernden Junglachse (Smolts) getötet.

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Tote Smolts

Die abwandernden Blankaale, lassen sich am Ende ihres Aufenthalts im Süßwasser (z.B. Lahn) über den nächsten zum Meer führenden Strom (Rhein) nach Holland in die Nordsee treiben, um dann von dort quer über den Atlantik in die Sargassosee (Bermuda/Golf von Mexiko) zum einmaligem Ablaichen schwimmen. Fast alle werden mit dem Hauptwasserstrom in die Turbinen gezogen und in unglaublichen Mengen entweder in den Turbinen getötet oder bleiben vor dem Rechen hängen und vom Rechenreiniger zerdrückt. In der Lahn-Wasserkraftanlage in Diez ,mit Rechenabstand von nur 20 Millimetern, beobachten wir das alljährliche Massensterben der Blankaale seit dem Bau in den 90er Jahren. Bei den mehrmaligen Abwanderphasen im Herbst werden jedesmal mindestens 100 kg Aale nur am Rechen getötet. Der Rechenabstand von 20 mm wirkt dabei wie ein Sieb, sodass alle Aale größer 65 cm Länge am Rechen, vom Rechenreiniger getötet und in den Abfallbehälter geworfen. Aale kleiner 65 cm können den 20mm-Rechen passieren und in den Turbinen getötet.

Bei den 28 hintereinander gestaffelten Lahnwasserkraftanlagen mit Rechenweiten zwischen 40 und 100 mm (!) kommt nicht ein einziger laichbereiter Aal in den Rhein oder gar in die Nordsee. Der Aal, eine seit 60 Millionen Jahren hier existente Art, wird allein durch die Wasserkraftanlagen ausgerottet – nicht nur in der Lahn, sondern in ganz Deutschland!

Völlig unverständlich für den Rechtsstaat Deutschland, gelten bei Betrieb von Wasserkraftanlagen unsere strengen Tierschutzgesetze (Art. 20a GG, BTierSchG, Länderfischereigesetze) nicht! Angewendet wird stattdessen ein dubioser § 35 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) (1) „Die Nutzung der Wasserkraft darf nur zugelassen werden, wenn auch geeignete Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation ergriffen werden“. Es ist also nicht das Einzelwesen zu schützen, sondern die „Fischpopulation“. Da Fische sehr viele Eier legen, können nur wenige Exemplare jeder Art die Fischpopulation erhalten und folglich kann die Masse der Fische in den Wasserkraftanlagen ganz legal getötet werden!

Wir hatten eine Petition beim Petitionsausschuss des Bundestags eingereicht, die 6 Mal eingestellt wurde. Beim 7. Mal forderten wir dann neue bzw. geänderte Tierschutzgesetze, die dann auch beim Betrieb von Wasserkraftanlagen für Wassertiere (Fische, Junge von Wasservögeln, Amphibien und Reptilien u.a. Warmblütern) gelten. So wurde dann nach parlamentarischer Prüfung beschieden, dass bei die Tierschutzgesetzgebung betreffend „ein Vollzugsdefizit der bereits bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorliegt und das BMU gebeten wird, auf einen besseren Vollzug der bestehenden gesetzlichen Regeln hinwirken soll.

Geschehen ist allerdings seit 3 Jahren nichts und die Ministerin Svenja Schulze hat nicht einmal auf Nachfragen geantwortet!

Das von Ministerin Julia Glöckner (BML) angekündigte Tötungsverbot der männlichen Küken aus Tierschutzgründen ist eine Lappalie gegenüber der Tatsache, was sich tier- und artenschutzwidriges täglich an Millionen Wassertieren in Ökostrom produzierenden Wasserkraftanlagen abspielt! Wenn Fische schreien könnten, könnte man es z.B. an der Lahn und anderswo in der Nähe von Wasserkraftanlagen nicht aushalten!
 
Das Dilemma liegt in einer völlig verfehlten Energiepolitik. Wer mit dem Kopf durch die Wand will und sowohl Kohle als auch Kernkraft zur Stromerzeugung ablehnt, andererseits aber zur Kompensation stochastischer Einspeiser (Sonne, Wind) jede Menge grundlastfähige Stromerzeugungs-Quellen benötigt (oder halt Speicher), der landet genau in der aktuellen Situation, da Wasserkraft halt eine der wenigen grundlastfähigen, regenerativen Stromerzeuger ist. Dass Deutschland hierfür weder geeignete Gewässerstrukturen aufweist, um in signifikantem Umfang Strom zu erzeugen, und dass die Wasserkraft massiven ökologischen Schaden anrichtet, wird ignoriert. Es geht ja um die Abschaltung der Kohle- und Kernkraftwerke. Da müssen sich die Aale ganz weit hinten anstehen. Von den Sedimentablagerungen vor den Wasserkraftwerken gar nicht zu reden. Und unter einer absehbar kommenden schwarz/grünen Regierung wird diese Situation sicher nicht besser. Man hat sich da völlig vergallopiert und den Entscheidern fehlt Sachverstand.
 
@ Naturliebhaber, hat damit gar nichts zu tun. Die im Vergleich kleinen oder sehr kleinen Leistungen der Wasserkraftwerkchen rechnen sich nur deshalb, weil wir Steuerzahler sie subventionieren. Einen spürbaren Beitrag zur Energieversorgung leisten sie nicht.

Hab ich ja geschrieben. Trotzdem hält die Politik an den kleines Wasserkraftwerken fest, weil sie wenigstens ein klein wenig Strom liefern. Sonst könnte man ja einfach beschließen, die Dinger abzuschalten (was die Betreiber bei Durchsetzung der entsprechenden Auflagen selbst tun würden). Und ja, das ganze Konzept EE funktioniert heute nur über Subventionen.

Ein Verpächter meines Vereins betreibt auch ein eigenes Wasserkraftwerk und zieht, offensichtlich rechtswidrig, regelmäßig das zugehörige Wehr, um die Rechen zu reinigen. Trotzdem wird mit denen umgegangen wie mit einem rohen Ei, weil die sonst mit Abschaltung drohen. Das ist alles ein totales Politikum.
 
Hallo,

Trotzdem wird mit denen umgegangen wie mit einem rohen Ei,

Kommt mir irgendwie bekannt vor. Kenne auch ein Gewässer wo der Kraftwerksbetreiber seit Jahren immer wieder gegen die Restwasservorgaben verstößt ohne dass groß was passiert.

Warum dann aber Aale in Gewässer besetzt werden, wo sie beim Abwandern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den Turbinen der zahlreichen Kraftwerke geschreddert werden, kann ich auch nicht nachvollziehen.

Wenn Fische schreien könnten

Also dieses Plagiat sollte sich ein Anglerverband m.M. tunlichst verkneifen.
 
Laut einer kürzlichen Pressemeldung soll die Nutzung von erneuerbaren Energien zukünftig zur Frage der nationalen Sicherheit gemacht werden,
zumindest wenn es nach dem Willen unserer aktuellen Bundesregierung geht. Die Nutzung von Wasserkraft dürfte wohl auch darunter fallen.

https://www.welt.de/wirtschaft/arti...tz-soll-Oekostrom-Sonderstatus-verleihen.html

Ich fürchte ein paar Fische interessieren da niemanden.
Schließlich geht es um nichts Geringeres, als um unser aller Sicherheit und natürlich um die Rettung der Welt. ab37
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum dann aber Aale in Gewässer besetzt werden, wo sie beim Abwandern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den Turbinen der zahlreichen Kraftwerke geschreddert werden, kann ich auch nicht nachvollziehen.

Das habe ich auch nie verstanden. Als ob die Aalbesetzer den Aal zum Kampf gegen Wasserkraftanlagen benutzen.
Nach dem Prinzip, sobald keine Aale mehr geschreddert werden, da kein Besatz, ist der Kampf gegen WKAs endgültig verloren.
Oder geht's darum, die Räucherkammern der Aalangler zu füllen?

Dasselbe auch vom Ruhrverband oder an der Mosel. Ebenso Vereine, die in Baggerseen oder Donauraum Aal besetzen.
 
Warum dann aber Aale in Gewässer besetzt werden, wo sie beim Abwandern mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in den Turbinen der zahlreichen Kraftwerke geschreddert werden, kann ich auch nicht nachvollziehen.

Sagen wir mal so, der Aal war schon vor der Wasserkraft da. Genau wie Meerforelle, Lachs und andere Wanderfische auch. Nur der Mensch zerstörte ihren Lebenraum.
Jetzt muss man sich nur fragen den Kampf gegen die Wasserkraft aufgeben, sprich keine Wiederansiedlung oder eben nicht.
 
Hallo,

Jetzt muss man sich nur fragen den Kampf gegen die Wasserkraft aufgeben, sprich keine Wiederansiedlung oder eben nicht.

Oder man fragt sich, wie sinnvoll es ist, Aale dort zu besetzen, wo der aktuelle Lebensraum verhindert, dass sie ihre Laichgründe erreichen um sich dort fortzupflanzen.

Da unsere Aale eben nur in der Sargasso See laichen und eine künstliche Erbrütung bisher nicht gelungen ist, fehlen diese Fische dann im Fortpflanzungskreislauf.
 
Durch Besatz lässt sich der Aalbestand in Gewässern mit Wasserkraft nicht sinnvoll richten. Wenn man bei der Abwanderung zum Beispiel 90% der Aale durch Turbinen verliert, müsste man die Aaldichte zum Ausgleich ums Zehnfache erhöhen. Das können die Gewässer nicht leisten und vertragen es auch nicht. Einen naturnahen und ausgewogenen Aalbestand kann es nur geben, wenn sie die Abwanderung überleben, sonst ist es immer an einem Ende zu viel oder am anderen zu wenig.
 
Hallo,

die Menge der Aale ist eben begrenzt und nicht beliebig vermehrbar wie z.B. bei Karpfen, ReBo etc. .

Satzaale stammen aus Wildfang.

Je mehr dieser Satzaale nicht mehr zum Laichen in die SargassoSee ziehen können, desto geringer die Anzahl der Laichtiere und der Larven/Glasaale, die nach Europa zurück kommen.

Wer Wiederansiedlung im Sinn hat, muss also dafür sorgen, dass die Blankaale ungehindert in die Laichgebiete abwandern können und sich auf die entsprechenden Gewässer konzentrieren, wo das im Moment noch möglich ist.

Ist natürlich trotzdem wichtig und richtig, auch für andere Gewässer entsprechende Maßnahmen zu fordern, um auch diese für Wanderfische wieder durchgängiger zu machen.

Wobei das auch nicht für alle Gewässer die optimale Lösung ist.

Ich kenne auch Salmonidengewässer, wo ein unpassierbares Wehr am Unterlauf eher als Schutzwall gegen invasive Arten dient.
 
Hallo,

die Menge der Aale ist eben begrenzt und nicht beliebig vermehrbar wie z.B. bei Karpfen, ReBo etc. .

Satzaale stammen aus Wildfang.

Genau so ist es. Jeder, der Aale in Gewässern besetzt, aus den die Blankaale eher nicht in die Sargassosee zurückkommen, nimmt ein Stück vom Kuchen, von dem es eben nur einen gibt. Wer es Ernst meint mit der langfristigen Stärkung der Population kauft Glasaale und besetzt die ufernah in der Nordsee. Nicht alle Glasaale wandern in die Flüsse, einige bleiben im Meer oder nahe am Meer. Diese Tiere haben eine viel höhere Überlebenswahrscheinlichkeit, da sie keine Turbine durchschwimmen müssen und der Aufenthalt im Salzwasser dazu führt, dass weniger von Ihnen von Bandwürmen befallen werden und, so geschwächt, die lange Reise ins Bermudadreieck nicht überleben.
 
Mal einfach gefragt :

Könnte man nicht Vorrichtungen ersinnen , die den Großteil der Fische abfangen , sie "sammeln" und hinter der Turbine wieder aussetzen?

R.S. coffeegirl
 
Hallo,

die den Großteil der Fische abfangen , sie "sammeln" und hinter der Turbine

Es gibt schon "Aaltaxis", aber das ist m.W. nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Bei größeren Kraftwerksbetreibern müssen zu Zeiten der Aalwanderung z.T. auch die Turbinen an manchen Kraftwerken mal ne zeitlang ausgeschaltet werden. Aber m.W. eben nicht die Masse der Kraftwerke der unterschiedlichen Betreiber.

Es gibt auch Forschungen zu weniger fischschädlichen Turbinen usw. .

Aber das erfordert halt hohe Investitionen, Baugenehmigungen etc. .

Wenn Wasserkraftwerke hauptsächlich als wirtschaftliche Investitionsobjekte und zum Abgreifen von Subventionen dienen, wird man da eher wenig Rücksicht nehmen.
 
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