Erst kommt Hitra, dann Frøya, danach der Atlantik. Halt – die kleine Insel Sula bitte nicht übersehen! Jesco Peschutter und Ole Meyer-Klaeden erkundeten dieses unvergleichbare Revier.

Das Revier um die Insel Sula verspricht viele Hotspots beim Angeln in Norwegen

Das Revier um die Insel Sula verspricht viele Hotspots beim Angeln in Norwegen

Hinter Hitra gehts zum Angeln vor Sula

Einen Tag nach meinem Geburtstag stehe ich zusammen mit meinem Kumpel Ole Meyer-Klaeden auf der Autofähre Richtung Sula. Langsam schippert der Kahn durch die vielen kleinen Inseln und sofort sind wir Feuer und Flamme. Dieses Revier, kurz vor dem offenen Atlantik und in direkter Nähe zu Hitra und Frøya, scheint Anglern eine Menge zu bieten – und davon wollen wir uns jetzt bei dieser Norwegentour selber überzeugen. Wir halten für einen kurzen Zwischenstopp in Mausund, von dort dauert es nicht mehr lange bis der Stahlkoloss am Fähranleger bei Sula anlegt. Mit dem Auto sind es nur noch ein paar Minuten, dann erreichen wir an diesem schönen Augustabend die Anlage Sula Rorbuer und der Besitzer erwartet uns schon freudestrahlend. Doch die gute Stimmung hält leider nur kurz. Als wir von der Wettervorhersage für die nächsten Tage erfahren, vergeht uns das Lachen schnell. Viel Wind steht uns bevor und so sind die draußen gelegenen Hotspots nicht erreichbar. Nur vier Angeltage können wir bleiben, wollen aber trotzdem das Beste draus machen und dieses einzigartige Revier erkunden.

Wir waren in der Anlage Sula Rorbuer untergekommen

Wir waren in der Anlage Sula Rorbuer untergekommen

Dorschangeln am Torskallen

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und während der Kaffee langsam durch die Maschine läuft, starte ich meinen Rechner. Was sagt der Wind? Für den Vormittag sieht die Prognose recht gut aus, danach geht’s mit dem lauen Lüftchen steil nach oben – wie vorhergesagt. Gerade, wenn die Wetterfrösche ansteigende Windgeschwindigkeiten ankündigen, bin ich vorsichtig und hier vorm riesigen Atlantik erst recht. Doch die Boote sind gut motorisiert und wir haben noch mehrere Stunden Zeit bis zum Eintreffen der Schlechtwetterfront. Das weiter draußen gelegene Plateau Ørneklakken ist uns zu heikel, sodass wir uns für das dichter an der Anlage und bei geschützten Bereichen liegende Plateau Torskallen entscheiden. Wenn Wind und Wellen zunehmen, ist die Rückfahrt nicht allzu lang. Aber Achtung: Umfahrt unbedingt die Untiefen in einem weiten Bogen. Der Besitzer gibt gerne Seekarten heraus, in denen die gefährlichen Regionen rot schraffiert sind. Unser Plan steht also fest und schnell beladen wir das Boot. Die Ruten sind alle scharf, sodass wir am Spot sofort mit dem Angeln beginnen können. Hebel auf den Tisch: Das 19-Fuß-Gefährt mit 50 Pferdchen am Heck gleitet Richtung Fanggründe. Wenig später sausen unsere Gummiköder am Torskallen Richtung Grund. Etwas kabbelig ist die See schon, doch das Angeln ist noch möglich – noch! Der erste Fisch steigt bei mir auf einen orange-schwarzen Gummifisch beim Einleiern ein. Wenig später zeigt sich der bronzefarbene Räuber an der Wasseroberfläche. Ein schicker Pollack konnte meinem angebotenen Happen nicht widerstehen: Weitere Bronzetorpedos folgen. Zwischendrin schnappt sich immer mal wieder ein halbstarker Dorsch den Shad. Ole setzt auf größere Weichköder und hofft, die besseren Exemplare zum Anbiss zu überreden. Und siehe da: Schon ist seine Rute krumm und neigt sich verdächtig nach unten. Wir sind gespannt, wer sich bei rund 30 Metern Wassertiefe den deftigen Snack gegönnt hat. Langsam erscheint der Fisch aus der Tiefe und Ole und ich erkennen den tollen Dorsch mit dem pinken Gummilatschen im Maul. Nicht schlecht! Doch da geht noch mehr. Schnell zur neuen Drift ansetzen und noch mal über die spannende Zone treiben lassen. Gesagt, getan: Wieder ist es Ole, der heute wohl den richtigen Geschmack der Meeresbewohner trifft. Am anderen Ende der Leine tobt erneut ein guter Fisch, der vehement am Boden bleiben will. Aber Ole überredet den bildhübschen und mächtigen Dorsch schließlich, uns im Boot Gesellschaft zu leisten. Dann merken wir, dass der Wetterbericht recht behalten soll. Höchste Zeit, diesen einzigartigen Platz zu verlassen und sich auf den Weg zum sicheren Hafen zu machen.

Solche guten Dorsche sind vor Sula immer drin. Ole freut sich über seinen Fang

Solche guten Dorsche sind vor Sula immer drin. Ole freut sich über seinen Fang

Ole drillt wieder einen besseren Fisch. Was hängt dieses Mal am Haken?

Ole drillt wieder einen besseren Fisch. Was hängt dieses Mal am Haken?

Ein Dorsch hat auf dem Plateau Torskallen gebissen

Ein Dorsch hat auf dem Plateau Torskallen gebissen

Angeln bei Wind

Während der nächsten zwei Tage hat uns die miserable Wetterlage voll im Griff. Heftige Böen und Starkregen machen das Angeln nicht einfach, aber auch nicht unmöglich. Da überall in der Nähe der Anlage kleine Inseln Schutz bieten, können wir uns prima mit dem schwimmenden Untersatz verstecken und immer noch fangen. Pollack, Dorsch und reichlich Makrelen sind dabei die Hauptbeute. Heilbuttjagd steht ebenfalls auf dem Plan und so versuchen wir mit großen Gummifischen, die sandigen und flachen Ecken zwischen den Inseln zu beackern. Leider ohne großen Erfolg: Zwar gehen immer mal Dorsch und kleine Leng an die monströsen Köder, aber die XXL-Flundern bleiben aus. Die Drift macht kontrolliertes Fischen einfach nicht möglich, da wir wie ein Formel-1-Auto über die vielversprechenden Sandflächen sausen. Auch wenn wir keinen Plattenkönig während unserer Tour fangen, soviel sei schon mal vorweggenommen, gehen rund um Sula immer wieder echte Kaliber an die Haken. Doch das Heilbuttangeln gönnt uns der Wettergott anscheinend auch nicht: Ein mächtiges Gewitter zieht auf und zwingt uns endgültig, das Boot fest am Steg anzubinden.

Reichlich Makrelen gibt es im Sommer. Dabei schrecken die Schwarmfische auch vor Gummifischen nicht zurück

Reichlich Makrelen gibt es im Sommer. Dabei schrecken die Schwarmfische auch vor Gummifischen nicht zurück

Hotspot Ørneklakken

Am Nachmittag des dritten Angeltages ist Besserung in Sicht und der Wind beruhigt sich langsam. Darauf haben wir gewartet und wollen nun endlich das Plateau Ørneklakken in Angriff nehmen. Da immer noch viel Restdünung auf der offenen See herrscht, wagen wir uns nur langsam hinaus und legen auf der Fahrt zum Hotspot ab und an einen Stopp zum Angeln ein. Doch die Bedingungen scheinen gut und nur die langgezogenen, großen Atlantikwellen zeugen noch vom Sturm der letzten Tage. Als wir das Gebiet rund um Ørneklakken erreichen, begrüßen uns Hunderte von kleinen Köhlern an der Oberfläche. Fisch ist also schon mal da, aber auch die großen Räuber? Das werden wir schnell herausfinden. Kein anderes Boot mit Anglern ist weit und breit auszumachen, sodass wir also die ersten Glücklichen sind, die diese Ecke nach zwei Tagen mit schrecklichem Wetter befischen. Auf Begeisterung folgt recht bald Ernüchterung. Wir lassen das Boot von mehreren Unterwasserbergen driften – immer von rund 30 bis auf über 100 Meter. Ein paar Dorsche steigen ab und an ein, doch das Unterfangen gestaltet sich als sehr zäh. So haben wir es uns nicht vorgestellt und die Zeit arbeitet langsam gegen uns: nicht mehr lange, dann verschwindet die Sonne am Horizont. Es gibt hier aber noch einige Plateaus, denen wir bis jetzt keine Beachtung geschenkt haben. Motor starten und ab zum nächsten Fanggrund. Dann ist es soweit und mein goldener Gummifisch findet direkt am Grund einen Abnehmer und der erste vorzeigbare Dorsch landet an Bord. Kurz darauf ist meine Rute wieder gefordert, diesmal aber mit deutlich mehr Zug am anderen Ende der Leine. Derselbe Köder bringt mir einen verdammt guten Pollack und zaubert ein breites Lächeln in mein Gesicht. Stolze 88 Zentimeter zeigt das Maßband an – deswegen sind wir hier! Auch bei Ole läuft’s und wieder ist ein langer, pinker XXL-Gummi sein Erfolgsrezept. An der Kante bei etwa 50 Metern Wassertiefe erfolgt ein harter Biss und der große Mann aus Norddeutschland bekommt richtig Arbeit. Manchmal kann es so einfach sein. Ole greift den Traumdorsch mit der Hand und hebt ihn mit etwas Mühe aus dem Wasser: was für ein Prachtexemplar! Der Bann ist gebrochen, wir überlisten am Abhang des Plateaus noch einige weitere Brummer. Leider fängt es schon an zu dämmern, sodass wir uns langsam auf den Heimweg machen. Ein unbeschreiblicher Sonnenuntergang versüßt uns die Bootsfahrt – wir sind mehr als zufrieden.

Wer große Fische fangen möchte, sollte es rund um den Ørneklakken probieren. Hier fing Jesco diesen prächtigen Pollack

Wer große Fische fangen möchte, sollte es rund um den Ørneklakken probieren. Hier fing ich diesen prächtigen Pollack

Gummifische mit schweren Bleiköpfen sind immer eine gute Wahl. Egal, ob Ihr auf Dorsch, Heilbutt & Co angelt

Gummifische mit schweren Bleiköpfen sind immer eine gute Wahl. Egal, ob Ihr auf Dorsch, Heilbutt & Co angelt

Seeteufel aus der Tiefe

Der letzte Morgen begrüßt uns zwar mit klarem Himmel und Sonnenschein, doch das leidige Thema Wind ist zurück. Unzählige Untiefen und Unterwasserberge warten draußen noch darauf, von uns erforscht zu werden – leider nicht mehr bei dieser Tour. Also entscheiden wir uns fürs Angeln mit Naturköder im südlich gelegenen Sulfjord. Hier im Windschutz lässt es sich doch ganz gut aushalten. Erst besorgen wir uns die passenden Köder, kleine Köhler, die später Leng oder Lumb zum Anbiss verleiten sollen. In der Nähe von Tennøya finden wir steil abfallende Kanten, an denen wir einen ersten Versuch wagen. Unsere mit zwei toten Fischchen bestückten Montagen gehen auf Tauchfahrt. Erste kleine Zupfer zeigen, dass jemand Interesse an den duftenden Happen bekundet. Spannend, wie die Rutenspitze jeden noch so vorsichtigen Biss überträgt und nach vorne wippt. Auf einmal verspüre ich stetigen Zug, gebe kurz etwas Leine frei, um dem Räuber Zeit zum Schlucken zu geben, und setze dann einen kräftigen Anschlag. Hängt! Jetzt heißt es: pumpen, pumpen und nochmals pumpen. Nach etlichen Minuten sehe ich den sich wild ums System wickelnden Lumb – das ist kein kleiner Bursche! Zu ihm gesellen sich in den nächsten Stunden noch einige seiner Zunft. Doch wo sind die Leng? Wir lassen uns einfach mal weiter ins Tiefe driften, kann vielleicht Wunder bewirken. Tatsächlich: Bei 140 Metern ein zaghafter Biss! Dann plötzlich immer energischer, bis ich schließlich dem Treiben ein Ende bereite und die Rute nach oben reiße. Das fühlt sich gut an, ja sogar sehr gut! Beim Hochkurbeln komme ich ganz schön ins Schwitzen und bin gespannt, wer sich für den fischigen Leckerbissen entschieden hat. Nur noch ein paar Meter fehlen auf der Multi und wir erahnen schon etwas großes Weißes im klaren Wasser. Dann sehe ich den Fisch zum ersten Mal: Ein Leng hängt am System. Aber halt, darunter erscheint ein zweiter, deutlich kompakterer Urian. Was ist das? Erst jetzt erkennen wir den Seeteufel am Haken und sind aus dem Häuschen. Mit dieser Delikatesse haben wir nicht mehr gerechnet, nehmen sie aber als Entschuldigung für das schlechte Wetter an. Viel zu schnell sind die vier Angeltage vergangen und wir hätten gerne noch mehr Zeit in diesem außergewöhnlichen Revier verbracht. Das nächste Mal stehen die dicken Köhler, kapitalen Leng und natürlich auch Heilbutt auf dem Programm, die hier jedes Jahr ans Band gehen. Wir kommen wieder, aber dann mit der Bitte: Etwas weniger Wind wäre schön!

Im Sulfjord probierten wir es mit Naturköder. Dabei bissen viele Lumb

Im Sulfjord probierten wir es mit Naturköder. Dabei bissen viele Lumb

In 140 Metern Tiefe nahm dieser Seeteufel den Naturköder. Er ist eine wahre Delikatesse

In 140 Metern Tiefe nahm dieser Seeteufel den Naturköder. Er ist eine wahre Delikatesse

Die gut gepflegte Anlage Sula Rorbuer

Die gut gepflegte Anlage Sula Rorbuer

Euer
Jesco